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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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werden sie schon begreifen, dass sie uns längst verpasst haben.«
    Niemand widersprach ihm, und so liefen sie eine Weile am Waldrand entlang, bis ihnen keine andere Wahl blieb, als sich in Richtung Südwesten durch das Unterholz zu schlagen.
    »Glaubt ihr, dass wir noch weit vom Blinden Wald weg sind?«, fragte Tobias.
    »Wenn an den Gerüchten was dran ist, werden wir ihn schon erkennen, sobald wir da sind. Nur Geduld«, antwortete Ambre.
    »Wir sind schon knapp zwei Wochen unterwegs! Ich kann nicht mehr, meine Füße fallen bald ab!«
    »Halt durch, Toby«, ermutigte Matt ihn. »Erinnere dich an den Marsch zur Carmichael-Insel.«
    »Du hast gut reden! Plusch hat dich gezogen, weil du im Koma lagst. Es hat einen Monat gedauert, bis ich wieder normal gehen konnte!«
    Matt warf ihm einen strengen Blick zu, der ihn viel erwachsener aussehen ließ, als er war.
Du wusstest genau, worauf du dich einlässt,
schien seine Miene zu sagen. Die Erschöpfung machte ihn ebenso gereizt wie seinen Freund.
    Da es keine Wege gab, musste die Gemeinschaft der Drei den Launen der Pflanzenwelt folgen und die weniger dicht bewachsenen Schneisen im Wald nutzen, um zügig voranzukommen; da sie nur selten einfach geradeaus gehen konnten, hatten sie oft das Gefühl, sich unnötig zu verausgaben.
    Matt führte sie mit einem Kompass. Vor ihrer Abreise hatte ihm der Weitwanderer Ben gezeigt, wie man sich in freier Wildbahn orientierte, und ihn bei dieser Gelegenheit mit Überlebenstipps bombardiert. Aus diesem Land, diesem Planeten, war eine gefährliche Welt geworden.
    Aber woher wollten sie das wissen? Vielleicht waren Europa und Asien gar nicht betroffen? Niemand hatte etwas darüber gehört, was in anderen Teilen der Welt geschehen war.
    Matt steckte den Kompass in einen der kleinen Beutel, die an seinem Gürtel baumelten.
    Der Hunger machte ihnen zu schaffen, und ihre Wasserreserven gingen zur Neige.
    So würden sie nicht mehr lange durchhalten.
    Sie mussten eine Stadt finden. Und zwar schnell.
    Nachdem sie zwei Stunden lang schweigend vor sich hingestapft waren, erreichten sie den Saum des Waldes und sahen in ein weites Tal hinab.
    Der Anblick, der sich ihnen bot, ließ sie vor Schreck und Staunen erstarren.
    In der Ferne ragte ein schwarzer Wall am Horizont auf und versperrte den Weg nach Süden.
    Der Blinde Wald.
    Wie eine steile Treppe wuchsen die Bäume Stufe um Stufe immer höher, bis sie eine unüberwindliche, kilometerhohe Mauer bildeten, die das Wort »Wald« lachhaft erscheinen ließ. Der Blinde Wald war eine Bergkette, bei der die Stämme das Felsmassiv und die Wipfel die schneebedeckten Hochebenen bildeten.
    Dieser überwältigende Anblick bestätigte Matt immerhin, dass er sich nicht in der Richtung geirrt hatte.
    »Wir sind fast da …«, flüsterte Tobias, hin- und hergerissen zwischen Faszination und Angst.
    »Der Eindruck täuscht, weil die Bäume so unglaublich hoch sind«, belehrte Ambre ihn. »Ich schätze, es sind noch mindestens zwei Tagesmärsche bis zum Waldrand.«
    Das unheilvolle Gewitter war nicht in Sicht. War der Torvaderon schon so weit davongezogen, oder durchstreifte er gerade eine Senke, die ihrem Blick verborgen blieb?
    »Oh nein«, stieß Tobias hervor. »Schaut mal da unten!«
    Eine noch intakte Starkstromleitung durchschnitt das Tal von Ost nach West. Man konnte zwar darunter hindurchgehen, doch um die Masten rankten sich Lianen, und von den Kabeln baumelten unzählige dünne, lange Wesen, die im Wind hin- und herschwankten.
    Nach dem Großen Sturm hatten sich nicht nur das Tier- und Pflanzenreich verändert, es war auch alles verschwunden, was die Umwelt verschmutzte, beispielsweise Autos oder Fabriken. Diese Dinge hatten sich nicht einfach in Luft aufgelöst, sondern waren geschmolzen oder unbrauchbar geworden. So standen die Strommasten nun verloren in der Landschaft herum und trugen noch immer die mittlerweile überflüssigen Kabel. Als hätte die Erde sie in ihrem rasenden Zorn einfach vergessen.
    Matt wusste, dass sie zu einer Stadt gelangen würden, wenn sie der Leitung folgten. Er wusste aber auch, dass die Kabel seltsame und unheimliche Tiere anzogen. Vor sechs Tagen waren sie schon einmal an einer Stromleitung vorbeigekommen und hatten verblüfft entdeckt, dass Tausende von Würmern jeder Größe – manche so klein wie Nacktschnecken, andere so lang wie Gurken – an den Kabeln hingen. Ambre hatte bereits davon gehört: Die Weitwanderer hatten sie die Solidarischen Würmer getauft. Wenn

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