Althars Wolkenhort
versuchte, sich aus Mythors Griff herauszuwinden. »Niemals! Ich gehe nicht mehr zum Wolkenhort. Ich will nicht verhext werden! Nicht noch einmal!«
»Du hast andere vor uns hingeführt!«
»Nur bis in die Nähe. Ich ließ sie allein weitergehen, als sie den Turm sehen konnten!«
Nottr hatte sich erhoben und stand plötzlich hinter Mythor. Er schwankte noch, aber seine Augen und seine Sprache waren klar. Blitzschnell setzte er die Spitze des Krummschwerts an Baumers Hals.
»Du bist mein Freund«, knurrte der Lorvaner drohend. »Und Freunden schlägt man nichts ab. Du gehst mit uns, und wehe dir, du kommst auf den Gedanken, uns in die Irre zu führen.«
Baumers Widerstand brach zusammen. »Ja!« schrie er. »Ich führe euch ja. Aber tötet mich nicht!«
Mythor ließ die Nase los. Baumer sprang vom Tisch und betrachtete sich jammernd in einem Spiegel aus geschliffenem Metall.
»Was habt ihr mit meinem Gesicht gemacht?« zeterte er. »Was habt ihr getan!«
»Dir dein Leben geschenkt«, sagte Mythor. »Für das, was du mit uns vorhattest, hättest du den Tod verdient.« Er trat an eines der Fenster und spähte in die Nacht hinaus. »Wir brechen auf, wenn es dämmert«, entschied er. »Nottr, komm, wir fesseln unseren Gastgeber zur Vorsicht.«
»Nein!« Baumer sprang zur Feuerstelle und riss ein glühendes Scheit heraus. »Keiner kommt mir zu nahe, oder...!«
Sadagar bewegte sich blitzschnell. Bevor Baumer es überhaupt wahrnahm, steckte ein Messer in seiner Hand. Schreiend ließ er das Holzscheit fallen.
»Du selbst machst deine Lage nur unnötig schlimmer«, sagte Mythor.
Nottr fand ein an einem Nagel hängendes aufgerolltes Seil. Wenig später war Baumer verschnürt wie ein Paket.
»Wir haben noch Zeit, uns für ein paar Stunden hinzulegen«, sagte Mythor. »Wenn der Wolkenhort tatsächlich so schrecklich ist, wie unser Freund uns glauben machen will, sollten wir ausgeruht sein.«
*
Der Weg führte in immer dichtere Bereiche des Waldes. Für Ortsunkundige wäre hier auch mit den Schwertern kaum ein Durchkommen gewesen, denn sobald ein paar Dornenranken abgetrennt worden waren, peitschten andere aus dem dichten Gebüsch wie vorschnellende Schlangen nach. Der Wald schien zu leben, je mehr die Gefährten sich ihrem Ziel näherten.
Nur Baumer war es zu verdanken, dass sie dennoch vorankamen. Er kannte verborgene Pfade. Nottr ging direkt hinter ihm und hielt ihn an einem Seil, mit dessen anderem Ende Baumers Hände auf den Rücken gefesselt waren. Dann und wann berührte die Spitze des Krummschwerts Baumers Nacken.
Mythor spürte eine seltsame Beklemmung. Wie sehr hatte er diesen Augenblick herbeigesehnt, und wie steinig war sein Weg hierher gewesen, nachdem er in Xanadas Lichtburg sein nächstes Ziel erfahren hatte. Jetzt spürte er keinen Triumph, keine Vorfreude. Baumers makabre Phantasie war zweifellos mit ihm durchgegangen, als er von den Schrecken berichtete, die der Wolkenhort für Menschen bereithielt. Aber dieser entlaufene Hofnarr glaubte an das, was er sagte. Auch jetzt wurde er nicht müde zu warnen.
Zweifellos war sein Aufenthalt beim Wolkenhort der Grund für seinen Geisteszustand.
Fast tat er Mythor nun leid. Dann aber sagte er sich, dass sie alle vier jetzt irgendwo tot liegen würden, wären sie nicht auf der Hut gewesen. Nottrs Beinwunde hatte sich beim zweiten Hinsehen als harmlos herausgestellt. Sie verheilte bereits wieder.
Die Panflöte hatte Mythor zur Sicherheit an sich genommen, um keine unangenehmen Überraschungen mehr zu erleben.
Mythor versuchte, seine Beklemmung abzuschütteln. Die Gruft mit dem Marmorsarg der Kometenfee hatte auch als verhext gegolten. Xanadas Lichtburg war ein gestaltgewordener Alptraum gewesen. Beide Hürden hatte er genommen. Herausforderungen waren dazu da, angenommen zu werden.
Und insgeheim vertraute Mythor auf sein Gläsernes Schwert, das ihn als Befugten ausweisen sollte, wenn er und die Gefährten erst einmal vor dem Wolkenhort standen.
Vorerst jedoch gab es nichts als dunklen Wald mit Gewächsen, die immer fremdartiger und unheimlicher wurden. Ranken lösten sich blitzschnell von Baumstämmen und schossen auf die Gruppe zu. Da Baumer als erster ging, blieb ihm schon allein aus diesem Grund nichts anderes übrig, als die unliebsam gewordenen Gäste rechtzeitig zu warnen. Mythor konnte sich vorstellen, wie das Ende der Bedauernswerten ausgesehen haben musste, die allein zum Wolkenhort aufgebrochen waren.
Aber wenn so viele Abenteurer und
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