Althars Wolkenhort
durchtrennte, sickerte gelbliche Flüssigkeit aus ihnen und wurde vom Humus aufgesaugt. Mythors Hand zuckte instinktiv zurück, aber nicht schnell genug. Zwei dicke Tropfen befanden sich auf seinem Handrücken, aber diesmal gab es keine Verätzungen.
Mythor wischte sich die Hand an den gelben Blättern einer schon fast kahlen Eiche ab. Er nickte stumm vor sich hin und gab Nottr ein Zeichen, weiterzugehen.
»Willst du uns vielleicht erklären, wozu diese. diese Versuche gut sein sollen?« fragte Sadagar.
»Es steckt im Boden«, sagte Mythor nachdenklich.
»Was?«
Mythor hob die Schultern. »Vielleicht bekommen wir die Antwort beim Wolkenhort.«
Schweigend gingen sie weiter. Die fremdartigen Gewächse verschwanden so schnell wieder, wie sie aufgetaucht waren. Es war, als bildeten sie Inseln im normalen Wald oder einen Ring um etwas.
Der Weg wurde immer steiler, bis Baumer vor zwei Eichen stehenblieb, deren Äste ineinander verflochten waren. Dahinter war nackter Fels zu sehen. »Jetzt müssen wir klettern«, sagte der ehemalige Hofnarr.
»Kannst du uns nicht um die Felsen herumfuhren?« fragte Nottr.
»Nicht, wenn ihr zum Wolkenhort wollt.« Baumer deutete mit dem Kopf nach oben. »Er steht auf diesem Berg.«
»Gibt es keinen anderen Weg hinauf?« wollte Mythor wissen.
»Von der anderen Seite aus«, gab Baumer zu. »Das aber würde bedeuten, dass wir einen Umweg machen müssten, der uns viel Zeit kostet und der gefährlich ist.«
Nottr fluchte. Mythor warf Kalathee einen fragenden Blick zu.
»Ich schaffe es«, versicherte sie schnell.
Mythor blickte zum Himmel auf. Er war klar, und die Sonne hatte ihren Höhepunkt bereits erreicht. Zweifellos war es besser, den Wolkenhort noch bei Tage zu erreichen als bei Nacht.
»Na schön«, sagte er. »Baumer, du kletterst voran.«
»Es ist nicht mehr weit«, beeilte das Männchen sich zu versichern. »Ihr könnt es nun allein schaffen. Nur an diesen Felsen hoch. In einer Stunde seid ihr am Ziel. spätestens.«
»Du kletterst voran!« knurrte Nottr.
Entweder saß Baumer die Angst so sehr im Nacken, dass er es nicht erwarten konnte, am Ziel freigelassen zu werden und schnellstens umzukehren, oder er war tatsächlich schon sehr oft hier geklettert.
Baumer wusste genau, wo es zwischen den Felsen ein Durchkommen gab. Nach einer Weile fand er einen Pfad, eine Felsleiste, die um den steilen Felshügel herum verlief. Dann mussten die fünf wieder klettern. An einigen Stellen schien es fast unmöglich, einen Halt zu finden, aber Baumer zeigte den Gefährten den Weg.
Nach knapp einer Stunde war die Kuppe erreicht. Die Gefährten schwitzten trotz der spätherbstlichen Kälte. Ihre Hände wiesen Schrammen und Schwielen auf. Kalathee ließ sich erschöpft in Mythors Arme fallen.
Doch dieser hatte nur noch Augen für den Turm, der gut einen Pfeilschuss entfernt in den Himmel ragte und nach oben hin in einer dunklen Wolke verschwand.
Für Augenblicke fiel es ihm schwer zu begreifen, dass dies sein Ziel sein sollte, dass all die Mühen und Gefahren, die er und die Freunde auf sich genommen hatten, nicht vergebens gewesen waren. Wie lange war Althars Wolkenhort in seinen Gedanken herumgespukt, der Helm der Gerechten, die Prüfungen, die er zu bestehen haben sollte, um ihn für sich zu erobern. Während der letzten Tage und Wochen war der Wolkenhort immer etwas gewesen, das wie in großer Ferne existierte, unnahbar und unerklärlich.
Nun lag er vor Mythor, ein gewaltiger Turm, der aus reiner Bronze zu bestehen schien und von dessen Spitze nichts zu sehen war. Die Höhe ließ sich also nicht abschätzen. Unten, wo er völlig von Schlingpflanzen aller Art überwuchert war, mochte sein Durchmesser gut und gern zwanzig Schritt betragen. Nach oben hin verjüngte er sich leicht.
Kein Eingang war zu erkennen. Der Turm besaß keine Fenster, nur in einiger Höhe winzige Schlitze.
Und alle spürten die Atmosphäre des Geheimnisvollen und Überweltlichen, die dieses gewaltige Bauwerk umgab. Kalathee war Mythors Blick gefolgt und starrte nun ebenfalls hinüber, ebenso wie die anderen. Das Mädchen mit dem ätherischen Gesicht presste sich noch fester an Mythor. Sadagar hatte unwillkürlich einen Schritt zurück gemacht, und Nottr starrte den Turm mit offenem Mund an.
Baumer zitterte heftig. »Lasst mich jetzt gehen«, flehte er. »Ich habe euch an euer Ziel gebracht, nun haltet euer Versprechen und lasst mich frei.«
Es dauerte eine Weile, bis Mythor die Sprache wiederfand. Irgend
Weitere Kostenlose Bücher