Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
wenn sie mich nächste Woche in Frührente schicken? Meine Frau wird mir die Augen auskratzen.«
    »Die Sie übrigens ganz lieb von mir grüßen möchten, Herr Kommissar. Bitte vor dem Kratzen.«
    Nach Fischers Gesichtsausdruck zu schließen, hätte er mir am liebsten die Whiskyflasche über den Schädel gezogen. Aber der hatte ja schon genug Schrammen. Er stand auf, rief einen der Schutzpolizisten zu sich und erteilte ihm halblaute Anweisungen.
    »Du bist mir echt einer«, sagte ich zu Usedom. »Sitzt mit ’ner Knarre im Englischen Jäger rum. Einmal Terrorist, immer Terrorist, was?«
    »Jetzt wirst du undankbar.«
    »Das macht der Whisky. Sag mal, gibt es schon Reaktionen auf den Schluss deiner Erzählung gestern in den Neckar - Nachrichten?«
    »Nicht eine einzige. Ich habe vorhin extra in der Redaktion angerufen. Nichts. Sieht so aus, als könnte man den Leuten in diesen Zeiten alles vorsetzen.«
    »Klar, ist ja nur Literatur.«
    Er zuckte die Achseln.
    Kommissar Fischer kam zurück. »Mir gefällt das nicht«, brummte er. »Greiner und Sorgwitz mit so einer vagen Beschreibung zum Bahnhof zu schicken, gefällt mir einfach nicht. Zu gefährlich.«
    »Für wen?«, fragte ich.
    »Dieser von Kant ist verletzt, sagten Sie. Wo genau und wie schwer?«
    »An der Schulter«, antwortete der Schriftsteller. »Dort habe ich … dort wurde er wohl getroffen. Wie schwer, kann ich nicht sagen.«
    »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
    »Robert Usedom«, stellte ich vor. »Autor, Gesprächspartner und Weißweinexperte. Außerdem ein Kenner der jüngeren Heidelberger Geschichte.«
    »Ich war mit einem der Opfer befreundet«, ergänzte Usedom. »Beatrice Petazzi.«
    Fischer nickte. »Könnten Sie mich zum Bahnhof begleiten, Herr Koller? Mit dem Schlamassel hier werden die Kollegen schon fertig, und Sie sind der Einzige, der den Mörder identifizieren kann. Wir müssen nur noch auf einen Wagen warten.« Er sah auf die Uhr.
    »Wir können meinen nehmen«, sagte Usedom. »Er steht vor der Tür, und ich habe von Kant auch gesehen.«
    »Gut, danke.«
    Wir brachen auf. Einmal in der Senkrechten, begann ich zu schwanken wie ein Matrose und musste mich an der Whiskyflasche festhalten. Eine innige Umarmung mit Maria, Dank für die geblümten Servietten, die den Blutfluss gestillt hatten, dann waren wir draußen. Usedoms Ford war mindestens dreimal so alt wie Gertrud, sprang aber sofort an. Bis zur Abfahrt des Zuges blieben noch etwa zehn Minuten.
    Zwischen den Telefonaten, die der Kommissar unterwegs führte, fütterte ich ihn mit weiteren Details. Über Klemm, wie ich zu dessen Wohnung gekommen war, was mir Schwambo Schwarz erzählt und wie mich von Kant überrascht hatte.
    »Warum ist Klemm erst jetzt zurückgekommen?«, fragte Fischer.
    »Aus Angst. Er wusste, dass er Mist gebaut hatte. Vielleicht war noch Geld in der Wohnung oder ein gefälschter Pass. Bei seinen Freunden konnte er sich nicht verstecken, die waren ja selbst auf der Flucht. Irgendwann musste er zurück.« Ich entkorkte Marias Whiskyflasche, die sich wundersamerweise immer noch in meinen Händen befand, und nahm einen Schluck.
    »Wenn Sie so weitermachen, reden wir in der Ausnüchterungszelle weiter«, knurrte Fischer.
    »Eine Wurststulle wäre mir auch lieber. Haben Sie eine? Na also!«
    »Am Bahnhof spendiere ich Ihnen eine Laugenbrezel.«
    Usedom brauchte keine zehn Minuten bis zum Hauptbahnhof. Er brachte den Ford auf einem Taxiplatz zum Stehen, wir stürmten hinaus. Ich hatte Mühe, den Anschluss zu halten.
    »Ehrlich gesagt«, rief ich Fischer hinterher, »bezweifle ich, dass der Kerl mit dem Zug abhaut.«
    »Und falls doch«, lautete die Antwort, »sollten wir vorsichtig sein. Halten Sie sich hinter mir.«
    »Kein Problem!«, keuchte ich.
    Im Bahnhofsgebäude herrschte mäßiger Betrieb. Wir blieben neben einem Zeitungsstand stehen und sahen uns um. Über uns leuchtete die große Abfahrtstafel.
    »Gleis 7«, brummte Fischer. »Dann mal los.« Im selben Moment meldete sich sein Handy. Wir warteten.
    »Du hättest ihm meinen Revolver nicht geben sollen«, flüsterte Usedom. »Ohne fühle ich mich so nackt.«
    Ich schwieg. Gedankenverloren drückte ich ein Eselsohr aus der aktuellen Ausgabe des Manager Magazins.
    »Was?«, brüllte Fischer. Und dann, das Handy einsteckend: »Sie haben ihn. Kommen Sie, Greiner und Sorgwitz haben den Kerl.« Er stürmte voraus, Richtung Gleise. Nie wieder würde ich diesem Mann das Gejammer über seinen Gesundheitszustand abnehmen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher