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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Michael fiel auf, daß er in den letzten Tagen zugenommen hatte, sein Bauch wölbte sich noch weiter hervor als sonst, und sein Hemd klaffte zwischen zwei Knöpfen auseinander.
    »Was wolltest du sagen?« erkundigte sich Michael.
    Balilati grinste zufrieden und stellte die rhetorische Frage »Wieviel Uhr ist es jetzt?« Er schaute auf seine Uhr. »Erst halb elf, nicht schlecht für halb elf, aber ich sage dir die Wahrheit, ich habe Beziehungen, nicht erst seit heute. Ich habe gleich was gerochen, aber nachdem ich mir das Band von deinem Professor angehört habe, war ich sicher, und glücklicherweise bin ich an den richtigen Mann geraten.«
    »Um was geht es?« fragte Michael erstaunt. Er war mit den Gedanken bei Kohlenmonoxyd.
    Mit einem siegreichen Lächeln antwortete Balilati: »Um den Gynäkologen von dieser Porzellanfigur, wie heißt sie doch noch, Eisenstein.«
    »Was hat ihr Gynäkologe damit zu tun?« wollte Michael wissen.
    Balilati fing mit der üblichen Formulierung an: »Frag mich, und ich werde es dir sagen.« Dann sprach er weiter, wobei er immer ernster wurde. Er nannte den Namen des Gynäkologen, erwähnte ein paar verschlungene Wege, die er gegangen sei, um nicht »mit der ärztlichen Schweigepflicht in Schwierigkeiten zu kommen«, pries die Sekretärin des betreffenden Arztes, dessen Privatklinik sich genau neben dem Haus befinde, in dem seine Schwägerin wohne, die jüngere Schwester seiner Frau, »nun, ich habe sie dir doch mal vorgestellt, vielleicht erinnerst du dich«.
    Michael erinnerte sich an das Abendessen am Sabbat im Haus Balilatis, an die dicke Frau und ihr verlegenes Lächeln, an den Nachrichtenoffizier in der Pose des Patriarchen am Kopfende des Tisches, die brennenden Kerzen vor sich, an die gebadeten Kinder, an den Spruch: »Iß, iß, niemand auf der Welt macht so gute Koba wie meine Frau.« Er erinnerte sich an die Hitze im Zimmer, an das schwere Essen, an Emilia, die junge, schüchterne Schwägerin Balilatis, mit ihrem dunklen Pferdeschwanz, den braunen Augen und dem plötzlichen Lächeln, die Balilati offenbar mit Michael Ochajon verkuppeln wollte. Sogar an ihre scheue Stimme erinnerte er sich, als sie sagte: »Dani hat schon soviel von Ihnen erzählt.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das ohne gerichtliche Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht verwenden kann«, überlegte er laut, nachdem Balilati seinen Bericht beendet hatte.
    Balilati wurde rot und protestierte: »Was soll das heißen, habe ich dir jemals eine falsche Auskunft besorgt?«
    »Das ist nicht der Punkt«, antwortete Michael besänftigend. »Aber sie hat schon beim ersten Verhör einen Rechtsanwalt verlangt, noch bevor wir etwas wußten. Du kannst dir vorstellen, wie sie reagieren wird, wenn wir so etwas vorbringen.«
    »Aber auch die vom Detektor haben gesagt, daß ihre Reaktionen nicht signifikant waren, ihre und die von Tuwja Schaj und Arie Klein«, betonte Balilati. »Es gibt keinen Grund, daß du nicht einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellst. Und einstweilen können wir es ja schon verwenden.«
    »Wer hat gesagt, daß Kleins Reaktionen nicht signifikant waren?« fragte Michael scharf.
    »Reg dich nicht auf, der Detektorfachmann hat es uns erzählt. Sie waren nicht aussagekräftig genug, wir werden ihn einfach noch mal bestellen müssen, wegen all dieser Unklarheiten, wann er angekommen ist, wo er war und so.«
    »Was für Unklarheiten?« fragte Michael neugierig. »Es ist doch alles in Ordnung. Er ist am Donnerstag nachmittag zurückgekommen, wo gibt's da Unklarheiten?«
    »Gut, ich weiß nicht, vielleicht hat man die Fragen nicht richtig vorbereitet, wir bestellen ihn noch einmal. Warum regst du dich so auf? Er ist nicht der einzige, der noch einmal bestellt wird.« Ein wissendes Lächeln erschien auf Balilatis Gesicht. »Ich weiß ja, daß du was für ihn übrig hast.«
    Michael Ochajon nickte leicht mit dem Kopf und schaute Balilati an, dem noch immer der Schweiß über das Gesicht lief.
    »Jedenfalls«, sagte Balilati langsam, »sollten wir jetzt etwas Dringenderes besprechen. Nicht du kommst in Schwierigkeiten, sondern die Sekretärin des Arztes oder der Arzt. Wir nicht. Und wenn du dann zum Gericht gehst, hast du zuverlässige Beweise. Außerdem könntest du sie gleich verhaften.«
    Michael seufzte. »Du weißt, wie sehr ich deine Arbeit schätze, Dani«, sagte er und sah aus den Augenwinkeln, wie das Gesicht des Nachrichtenoffiziers weicher wurde. »Aber das Gesetz setzt mir Grenzen. Ich sage nicht,

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