Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
sagte Michael schließlich. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, daß Klein log. »Wann genau sind Sie dort angekommen?«
    Nach einer Ewigkeit sagte Klein: »Es spielt keine Rolle, wann ich angekommen bin.«
    Das Schweigen dauerte lange. Michael schaute Klein direkt in die Augen, und Klein stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Erklären Sie mir, warum das keine Rolle spielt?«
    »Weil es nichts mit der Sache zu tun hat«, sagte Klein und hob den Kopf. »Sie müssen mir glauben, daß es nicht das geringste mit dem Mord zu tun hat.«
    »Professor Klein«, sagte Michael und fühlte, wie der Zorn in ihm aufstieg, »Sie müssen mir schon etwas mehr bieten, damit ich Ihnen glauben kann. Wann genau sind Sie angekommen, und warum spielt das keine Rolle?«
    »Ich bin am Freitag gegen Abend in Rosch-Pina angekommen, und ich sage Ihnen, daß das nicht zur Sache gehört, warum glauben Sie mir nicht?«
    Später, als er die Aufnahme abhörte, stellte Michael den wütenden Ton in seiner Stimme fest, etwas, was ihn verriet und beschämte, und erst da fiel ihm auf, wie verletzt er sich gefühlt hatte.
    »Professor Klein«, sagte er und betonte jedes Wort, »ich untersuche einen Mord, zwei Morde. An einem jungen Mann, den Sie gerne mochten und mit dem Sie eng verbunden waren, und an einem Mann, der Ihnen viele Jahre nahegestanden hat. Ich bitte Sie!«
    Klein wischte sich mit der Hand über die Stirn, dann schaute er ihn wieder an, direkt, mit weit geöffneten Augen, die mehr als alles andere ernst und traurig waren.
    »Schade, daß Sie mir nicht vertrauen«, sagte er dann.
    »Das ist keine Frage von Vertrauen, ganz zu schweigen davon, daß Sie schon einmal gelogen haben. Es geht um Tatsachen. Ihre Mutter hat gelogen, warum haben Sie Ihre Mutter dazu gebracht, zu lügen? Alles, was Sie sagen, ist nicht wichtig, wenn ich keine Fakten habe. Was heißt das schon, ob ich Ihnen vertraue? Zuneigung, Wertschätzung, das alles bedeutet nichts, wenn ich keine Fakten habe. Sie waren es, Sie haben mir nicht vertraut, wenn wir schon von Vertrauen sprechen.«
    Klein sah aus, als denke er über das nach, was er gerade gehört hatte. Dann sagte er: »Sie haben recht. Aber wenn ich es Ihnen erzählt habe, werden Sie sehen, daß das alles nichts mit dem Fall zu tun hat, überhaupt nichts.«
    Wieder wartete Michael, er drängte nicht mehr. Endlich sagte Klein: »Aber es muß unter uns bleiben, verstehen Sie? Es muß. Versprechen Sie mir das?«
    Michael nickte.
    »Sie versprechen es?« fragte Klein, und diese kindliche Naivität erstaunte Michael. Er dachte an Elfandari, der im Nebenzimmer dem Gespräch lauschte, an Balilati und Eli Bachar, die ihm ohne Zweifel bald Gesellschaft leisten würden, an die Sitzungen der Sonderkommission, an die sauber getippte Abschrift des Gesprächs, die Zila morgen früh auf seinen Tisch legen würde, und sagte: »Ich verspreche es.« Aus irgendeinem Grund wollte er die übliche Formulierung nicht verwenden: »Vorausgesetzt, die Angelegenheit hat wirklich nichts mit dem Fall zu tun!«
    »In die Sache sind nämlich auch andere Leute verwikkelt«, sagte Klein, als lese er Michaels Gedanken. »Es geht nicht nur um mich.«
    Michael nickte, sagte jedoch nichts. Wieder verwirrten ihn die verschiedensten Empfindungen. Die Frage, was Kleins Geheimnis war, ließ ihn nicht los, er wollte es wissen.
    »Ich habe mich mit einer Frau getroffen, die ich unbedingt sehen mußte«, sagte Klein endlich. Fast flüsternd fügte er hinzu: »Aus diesem Grund habe ich meine Mutter gebeten zu lügen. Sogar ihr habe ich nicht gesagt, warum.«
    Das ist es also? Auch du? Ein alter Sünder bist du? dachte Michael enttäuscht, als er die Arme sah, die sich wieder vor der Brust verschränkten.
    »Ich vermute, daß sie verheiratet ist.«
    Kleins schwere Augenbrauen hoben sich. »Wieso nehmen Sie das an? Sie ist nicht verheiratet.«
    »Warum dann die Heimlichkeiten?« fragte Michael verwirrt. »Wegen Ihnen?«
    Klein gab keine Antwort. Er war sehr blaß, sein Gesicht hatte einen Ausdruck, der dem ähnlich war, den Michael an jenem Tag gesehen hatte, vor einer Ewigkeit, als sie beide auf der Bank neben den Brieffächern saßen, nachdem Tiroschs Leiche entdeckt worden war. Michael sehnte sich nach diesem brüderlichen Gefühl zurück, dieser wortlosen Gemeinsamkeit von damals und nach dem Salat von heute nachmittag.
    »Letzten Endes ja, wegen mir, auch wenn man das auch anders sehen könnte.«
    »Bis

Weitere Kostenlose Bücher