Am Anfang war das Wort
Zelermaier. Sie war ganz nervös.«
»Warum?« fragte Michael, und Elfandari beschrieb ausführlich, wie Schulamit Zelermaier sich über die Sekretärin erbost hatte, die sich den passenden Zeitpunkt ausgesucht hatte, um zum Zahnarzt zu gehen, genau wenn Racheli frei hatte, und ob das nicht bis morgen Zeit gehabt hätte. »Das ist eine Type, sag ich dir«, beendete Elfandari vergnügt seinen Bericht.
Michael wählte die Telefonnummer von Kleins Haus. Niemand antwortete. Er versuchte es in Kleins Zimmer auf dem Har ha-Zofim, und auch dort ging niemand dran.
»Eins steht fest«, sagte Elfandari und lehnte sich zurück, »er war jedenfalls im Ausland.« Dann richtete er sich plötzlich auf. »Man kann herkommen und gleich wieder zurückfahren«, sagte er langsam. »Aber das hört sich zu kompliziert an, zwei Wochen vor dem Zeitpunkt, an dem er sowieso gekommen wäre, aus Amerika herfliegen, ankommen und dann wieder zurückfliegen, das ist unwahrscheinlich.«
Nein, überlegte Michael. »Wir haben den Flug nachgeprüft, die Flugnummer, er ist wirklich am Donnerstag gekommen. Aber jetzt müssen wir noch mal kontrollieren, ob er zwei Wochen vorher New York für ein paar Tage verlassen hat...« Rafi Elfandari blickte Michael geduldig an. Michael streckte sich und wurde entscheidungsfreudiger. »Die Frage ist, wer das ganze Jahr über für ihn die Post aus dem Fach geholt hat«, sagte er. »Ich habe da so eine Vermutung.«
»Aber Frau Lifkin ist beim Zahnarzt«, wandte Elfandari ein.
»Nun, jede Zahnbehandlung ist mal zu Ende«, sagte Michael. »Sie wird zurückkommen. Sag Zila, sie soll alle paar Minuten dort anrufen und schauen, ob sie schon da ist. Und treib mir ihre Aushilfe auf, von mir aus kann ich sie dort treffen, sie muß nicht extra herkommen. Sobald ich mit ihr gesprochen habe, werden wir klüger sein. Und jetzt nehme ich mir Herrn Schaj vor.«
Elfandari sammelte die leeren Kaffeetassen ein, sah zu, wie Michael den Zettel sorgfältig zusammenfaltete und in seine Hemdtasche steckte, dann ging er zur Tür. »Gute Arbeit, Rafi«, sagte Michael. Rafi winkte ab, und Michael wußte, daß er sein Erstaunen zu spät und nicht begeistert. genug gezeigt hatte.
Aber er hatte nicht viel Zeit, den Fehler zu bedauern, denn schon saß Tuwja Schaj vor ihm. Wieder spürte er, daß dieser Mann keine Angst hatte, daß ihn das, was geschah, eigentlich nicht interessierte. Daß sein Geist nicht hier war. Er beschwerte sich mit keinem Wort über die Verhöre, die allmählich zu einer Routineangelegenheit wurden. Michael deutete auf die Kassette. Tuwja Schaj betrachtete sie und sagte kein Wort. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Nur in dem Moment, als er die tiefe, rauhe Stimme hörte, nachdem Michael auf den Abspielknopf gedrückt hatte, zuckte er zusammen, doch sofort sah sein Gesicht wieder aus wie zuvor.
»Sie kennen das«, sagte Michael.
Tuwja Schaj zuckte mit den Schultern. »Ich kenne alle Gedichte Tiroschs. Jedes Wort.«
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte Michael und wartete.
Der Mann ihm gegenüber machte keine Anstalten, das Schweigen zu unterbrechen.
»Ich habe diese bestimmte Stimme gemeint, Sie kennen sie, Sie haben sie schon einmal gehört.«
Tuwja Schaj antwortete nicht.
»Tatsache ist«, sagte Michael Ochajon, »daß wir auf der Kassette Ihre Fingerabdrücke gefunden haben.«
Die hellen Augenbrauen hoben sich höflich, doch kein Wort kam.
»Ich verstehe das so: Sie leugnen nicht, die Kassette angefaßt zu haben«, sagte Michael.
»Sie verstehen es nicht richtig«, antwortete Tuwja Schaj. »Woher soll ich wissen, ob ich diese Kassette angefaßt habe oder nicht? Und was zählt schon meine Aussage gegen Fingerabdrücke?«
»Ihre Frau hat gesagt, daß sie die Kassette am Donnerstag morgen in Ihrer Tasche gesehen hat«, erklärte Michael, als habe er den Vorwurf nicht gehört.
Tuwja Schaj zuckte mit den Schultern.
»Ganz zu schweigen davon, daß Sie mir ausdrücklich erklärt haben, Sie hätten Ido Duda'i zum letzten Mal beim Fakultätsseminar gesehen.«
Tuwja Schaj nickte.
»Aber Sie haben mir kein Wort davon erzählt, daß Sie nach dem Seminar mit ihm zusammen waren, bei Ihnen zu Hause. Er hat Ihnen erklärt, warum er sich beim Seminar so seltsam verhalten hatte.«
Tuwja Schaj schwieg
»Das ist eine sehr vornehme Entscheidung, zu schweigen. Dadurch vermeidet man die Scham, bei einer Lüge ertappt zu werden. Doch ich fürchte, daß Ihnen diese Entscheidung leider nicht offensteht, Dr. Schaj.
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