Am Anfang war das Wort
fahren, und Sie können schon gleich gehen und das Geld abholen. Alles andere wird in der Personalabteilung erledigt.« Er wandte sich an Awidan, den Verbindungsoffizier. »Was meinen Sie?« Awidan nickte ein paarmal mit dem Kopf.
Um halb zehn Uhr morgens saß Ruchama Schaj vor ihm und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen das Aufnahmegerät. »Ich habe das noch nie gehört«, wiederholte sie, »nie.«
»Tatsache ist, daß wir Ihre Fingerabdrücke auf der Kassette gefunden haben«, beharrte Michael.
»Dafür habe ich keine Erklärung«, sagte sie und breitete die Hände aus. »Ich habe Scha'ul nach dem Donnerstagmorgen nicht mehr gesehen, und auch da habe ich ihn nur in seinem Zimmer an der Universität getroffen, ich war nicht mit ihm in seinem Auto. Ich weiß nicht, wie sich das erklären läßt.«
Michael zog die Kassette aus dem Gerät und legte sie vor Ruchama auf den Tisch.
Etwas blitzte in ihren Augen auf. »Ich bin nicht sicher«, sagte sie mit ängstlichem Blick, »aber vielleicht habe ich sie doch schon mal gesehen, aber ich weiß nicht, wo. Vielleicht in Scha'uls Zimmer, vielleicht bei ihm zu Hause. Ich erinnere mich nicht mehr daran. Vielleicht bei Tuwja? Nein, ich weiß es nicht. Ich bin auch nicht sicher, ob es diese Kassette ist, aber mir kommt es vor, daß ich so ein Ding schon gesehen habe. Vielleicht bei Tuwja, vielleicht, als ich die Schlüssel aus seiner Tasche genommen habe? Irgendwann habe ich eine Kassette gesehen, die so ähnlich aussah, auch ohne Etikett.« Sie sprach ganz unschuldig. Michael betrachtete ihr Gesicht und wußte, daß sie nicht verstand, um was es ging.
Er fragte sich, auf welche Art diese Kassette, wenn überhaupt, zu Tuwja Schaj gelangt sein könnte, und dann, aus einem plötzlichen Einfall heraus, fragte er: »Wissen Sie, wann Ihr Mann Ido getroffen hat, bevor er umkam? Ich meine, vor der Fakultätssitzung. Vor dem Freitagmorgen?«
Ruchama Schaj betrachtete ihre Finger und schwieg einige Minuten. Endlich sagte sie: »Nun, sie haben sich auch an der Universität getroffen, ich nehme an, jeden Tag.«
»Auch?« fragte Michael. »Was heißt das, auch?«
»Nach dem Fakultätsseminar am Mittwoch abend ist Ido mit zu uns gekommen. Er wollte mit Tuwja reden, aber ich weiß nicht, worüber sie sich unterhalten haben, ich bin schlafen gegangen.« Sie hatte schnell gesprochen, als weigere sie sich nachzudenken, ob sie das sagen solle oder lieber nicht.
Wieder betrachtete Michael dieses mädchenhafte Ge- sicht, die Lippen, die dem Gesicht etwas Vorwurfsvolles verliehen. Er sah die geschwollenen Ringe unter ihren Augen. Er wußte, daß sie ihre Zeit mit Schlafen verbrachte. Alle Ängste, alle Schrecken der letzten Woche mündeten bei ihr im Schlafen. »Zur Arbeit und dann schlafen. Keine Einkäufe, kein Kochen, keine Menschen, nichts! Gar nichts! Sie verhält sich, als sei sie schwer krank«, hatte Elfandari das Ergebnis der Ermittlung zusammengefaßt. »Über eine Woche lebt sie jetzt so, und wenn man in der Wohnung keine Schritte hören würde, könnte man denken, dort lebe niemand: Sie reden kein Wort miteinander, und am Telefon spricht er nur über seine Arbeit, und sie wird nie angerufen«, hatte Elfandari gesagt, als sie das Band abhörten. Michael hatte das Gefühl, die beiden verhielten sich wie Menschen, die jede Lebensfreude verloren haben.
Manchmal dachte er an etwas, das Ruchama Schaj während einer der Vernehmungen gesagt hatte: »Früher, bevor ich Scha'ul kennenlernte, wußte ich nicht, daß man etwas verlieren kann. Jetzt weiß ich, daß ich nichts mehr zu verlieren habe.«
Ihr Gesicht sah verbraucht aus, das Gesicht eines Menschen, der keine Hoffnung hat, der nichts mehr zu verlieren hat.
Als sie das Zimmer verlassen hatte, schaute Michael in seinen Kalender, Sonntag, der 29. Juni. Tuwja Schaj hatte gebeten, die »Verabredung« um eine Stunde zu verschieben. Er habe Sprechstunde, entschuldigte er sich höflich bei Zila.
Nun sollte Ruth Duda'i zu ihm kommen, und er hatte das deutliche Gefühl, daß nichts geschehen würde, daß er die Ängste all der Leute kannte, mit denen er während der letzten Woche viele Stunden verbracht hatte. Und nicht nur ihre Ängste, sondern auch ihre Lebensweise und ihre Meinungen voneinander.
Sogar die nervöse Art, mit der Ruth Duda'i auf die Uhr schaute, nachdem sie das Zimmer betreten hatte, hätte er im voraus beschreiben können. Sie hatte es eilig, sie müßte eigentlich schon zu Hause sein, die Kinderpflegerin
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