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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Ihr Alibi ist äußerst schwach.«
    Tuwja Schaj öffnete plötzlich den Mund und sagte hitzig: »Wenn ich ihn ermordet hätte, hätte ich für ein besseres Alibi gesorgt. Es tut mir leid, nicht gewußt zu haben, daß ich auf Leute hätte achten und auch dafür sorgen müssen, daß sie auf mich achten.«
    Michael reagierte nicht auf seinen Sarkasmus. Er steckte sich eine Zigarette an und betrachtete das Gesicht, das ihm immer vertrauter wurde.
    »Worüber haben Sie mit Ido Duda'i gesprochen, nach dem Seminar?«
    »Über private Angelegenheiten«, antwortete Tuwja Schaj und preßte die Lippen zusammen wie ein dickköpfiges Kind, was ihm ein groteskes Aussehen verlieh. Für einen Moment konnte Michael in ihm das Kind sehen, das er einmal gewesen war, ein altes, abstoßendes Kind.
    »Zu meinem Bedauern müssen Sie schon etwas mehr ins Detail gehen«, sagte er und hörte, daß auch seine Stimme nun einen sarkastischen Ton annahm.
    »Warum? Das sind Dinge, die nichts mit dem Mord zu tun haben«, widersprach Tuwja Schaj. Seine Stimme kippte vor Wut, als er fortfuhr: »Und bitte sagen Sie jetzt nicht, daß es Ihre Sache sei, das Maß der Relevanz für den Mord zu beurteilen.«
    Michael nickte und blickte in die kleinen Augen, deren Farbe so unbestimmt war.
    »Er hat mich um Rat gefragt, wegen des Fortgangs seiner Studien«, sagte Tuwja Schaj schließlich. Die Worte kamen nur widerwillig aus seinem Mund.
    Michaels Versuche, eine Erläuterung dieses Satzes zu bekommen, blieben erfolglos, seine Worte prallten gegen eine Wand des Schweigens. Tuwja Schaj verweigerte eine Erklärung. Er sagte nur: »Ido hat gesagt, er befände sich in einer beruflichen Krise, aber er hat mir nicht mitgeteilt, warum.«
    Michael kehrte zu der alten, heiseren Stimme mit dem russischen Akzent zurück, aber Tuwja Schaj sagte nichts anderes aus. Nie zuvor habe er diese Stimme gehört. Er erinnere sich nicht, die Kassette berührt zu haben. Er wisse nicht, ob sie Ido gehört habe.
    Nein, Ido habe nicht mit ihm über Tirosch gesprochen. Kein Wort. Nicht über Tirosch und nicht über dessen Gedichte.
    Michael kam auf die Frage des Alibis zurück.
    »Ich habe Ihnen schon hundertmal erzählt, was ich getan habe. Ich verstehe es nicht, auch Schulamit Zelermaier hat keine Zeugen, auch Ruth Duda'i nicht, und es gibt noch andere. Man kümmert sich einfach nicht jede Minute darum, wieviel Uhr es ist, auch nicht darum, wer einen sieht. Man sucht keine Zeugen für den ganzen Tag.«
    »Woher wissen Sie das mit Dr. Zelermaier?« fragte Michael, und zum ersten Mal entdeckte er im Gesicht seines Gegenübers eine gewisse Verlegenheit. Tuwja Schaj zuckte mit den Schultern, eine Bewegung, die Michael nun schon gut kannte.
    »Ich habe ihren Namen nur so gesagt. Ich habe nur zufällig im Sekretariat ein Gespräch über die Alibifrage mitbekommen, und Schulamit sagte, ihr Vater habe geschlafen. Wer könne bestätigen, daß sie zu Hause war? Sie hat gelacht, aber Dita Fuchs hat nicht gelacht, und ich habe gesehen, wie Kalizki erschrak, der Arme, und Aharonowitsch, der sich zu erinnern versuchte, wann er mit dem Einkaufen fertig gewesen war.« Der Zorn war ihm nun anzuhören. »Kurz gesagt, Sie haben eine solche Angst unter uns verbreitet, daß alle überlegen, was sie getan haben, auch wenn sie ganz unschuldig sind.«
    Das schwarze Haustelefon klingelte, und Michael nahm den Hörer auf, lauschte Zilas Stimme und sagte schließlich: »Sag ihr bitte, daß ich jetzt losgehe.«
    Er stand auf und sagte zu Tuwja Schaj, der mit gesenktem Kopf dasaß: »Ich möchte, daß Sie jetzt mit mir kommen, wir gehen die Strecke ab, die Sie am Freitag gegangen sind, die Sie Ihrer Auskunft nach freitags so oft gehen, wenn Sie aus der Cinematheque kommen.«
    Tuwja Schaj stand auf und ging erstaunlich folgsam Michael voraus.
    »Wir fangen in der Universität an, bei Tiroschs Zimmer. Ich muß ohnehin ein paar Worte mit Frau Lifkin sprechen«, sagte Michael, als er seinen Ford anließ.
    Es war schon nach zwei. Adina Lifkin, das wußte Michael, würde auf ihn warten, auch nach ihrer Arbeitszeit, trotzdem beeilte er sich.
    Sie wartete tatsächlich, die Hand auf die Wange gedrückt. Sie sagte nichts über die Zahnbehandlung, die sie hinter sich hatte, doch ihr Gesicht demonstrierte Leiden und unendliche Selbstaufopferung.
    »Der Schlüssel zum Postfach von Professor Klein?« fragte sie verwirrt und nahm die Hand von der Wange. »Ich verstehe nicht, er ist doch wieder da.«
    »Und wie war das, wenn

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