Am Anfang war das Wort
Unterschrift, und sagte: »Ich glaube nicht, daß Klein so unterschreiben könnte, noch nicht mal, wenn er seine Schrift verstellt. Ausgeschlossen. Außerdem ist er Linkshänder mit den typischen Abweichungen in der Schrift. Ich kann es zwar vor Gericht nicht beschwören, aber es ist wirklich gut möglich, daß Tirosch das geschrieben hat.«
Eli Bachar fuhr Michael zu seiner Wohnung, und trotz seines Protests verkündete er, er würde ihn am nächsten Morgen zum Flughafen bringen.
Um zwei Uhr nachts, nachdem er seinen kleinen Koffer bereits gepackt hatte und er ganz sicher war, daß er nicht einschlafen konnte, breitete er auf dem Küchentisch die Kopien aus, die er von den Sitzungsprotokollen der Fakultät hatte machen lassen. Sie umfaßten ein Jahr. Als Eli Bachar um halb sechs kam, fand er Michael sauber rasiert und reisefertig. Seine Augen waren rot, aber er hatte doch einiges über die Leute an der Fakultät erfahren, was er vorher nicht so genau gewußt hatte, über das Beziehungsgeflecht, das sie verband. Nachdenklich faßte er das Ergebnis seiner Überlegungen für Eli Bachar zusammen, während sie zum Flughafen fuhren. Bachar hörte schweigend zu.
»Sehr interessant, diese Protokolle. Interessant, besonders wenn du die Leute kennst, die da auftauchen: Du kannst dir die Situation genau vorstellen, die Gesten jedes einzelnen. Du kannst wirklich viel aus ihnen lernen. Zum Beispiel erfährst du von einer Diskussion darüber, ob man die Studenten am Schluß des Jahres in einem Fach prüfen soll, das ›Grundbegriffe der Literaturwissenschaft‹ genannt wird, oder ob man sich mit den Übungen begnügt, an denen sie im Lauf des Jahres teilnehmen. Ich habe das Protokoll einer Sitzung gelesen, die sich nur mit diesem Thema befaßt hat, und gelernt, wie dominant Tirosch sich verhalten hat, wie er die anderen Redner beleidigt hat. Ich habe etwas über die Spannungen zwischen Zelermaier und Dita Fuchs erfahren. Dita Fuchs sagt etwas, und Zelermaier widerspricht auf der Stelle mit scharfen Worten. Und danach kommt immer Kalizki, der Fuchs mit einer lächerlichen Ritterlichkeit beschützt. Die seltsamsten Sachen.« Eli Bachar fuhr konzentriert. Michael betrachtete ihn von der Seite und stellte fest, wie fein sein Profil war, wie klassisch geformt die Nase, wie lang seine Wimpern waren. Alles Dinge, die ihm sonst gar nicht so auffielen.
»Verstehst du«, sagte Michael, als sie vor der Glastür der Flughafenhalle aus dem Auto stiegen. »Tuwja Schaj hat immer für Tiroschs Vorschlag gestimmt, das ganze Jahr über, sogar wenn diese Vorschläge nur als Provokation gemeint waren. Aber in der letzten Sitzung hat er nichts gesagt, was ins Protokoll aufgenommen wurde, kein einziges Wort, und bei der Abstimmung über eine Änderung im Aufbau der Fakultät und über einen Studientag hat er sich der Stimme enthalten.«
Eli Bachar antwortete nicht.
»Du verstehst es nicht«, sagte Michael und nahm ihn am Arm. »Ich will damit sagen, daß Tuwja Schajs Verhalten, als wäre die Welt zusammengebrochen, nichts mit der Trauer über Tiroschs Tod zu tun hat. Vorher hat es keine einzige Sitzung gegeben, auf der er nicht gesprochen hat, mindestens einmal, und immer hat er Tirosch unterstützt. Im letzten Protokoll wird er als anwesend geführt, aber es steht nicht darin, daß er etwas gesagt hätte. Und diese Sitzung hatte stattgefunden, noch bevor jemand ermordet worden war. Zipora Lev-Ari hat das Protokoll geschrieben, ich habe andere Protokolle von ihr geprüft, und obwohl sie so nachlässig aussieht, machen ihre Protokolle einen sehr vollständigen, genauen Eindruck.«
In Eli Bachars Augen blitzte es auf, und schließlich sagte er: »Vielleicht hatte er bei der letzten Sitzung Kopfschmerzen?«
Michael schwieg. Er hatte das Gefühl, als hätten sie in den letzten Stunden die Rollen getauscht, Eli Bachar und er. Eli bemerkte Michaels nachdenklichen Blick und sagte: »Ich bin einfach fassungslos, daß dir deine Reise so egal zu sein scheint. Ein Mensch fliegt zum ersten Mal in seinem Leben nach New York und sagt kein Wort dazu.«
»Wer wird in New York sein?« murmelte Michael. »Ich bin mitten in einem Fall, habe ich Zeit, mich in New York zu vergnügen?«
»Trotzdem«, sagte Eli Bachar.
Die Anzeigetafel teilte eine Änderung des voraussichtlichen Abflugs mit, der Flug nach New York war um fünfzehn Minuten vorverlegt worden. In der Halle war es heiß und feucht, trotz der Klimaanlage. Michael blickte sich zum ersten Mal um und
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