Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
den Geruch ihrer Haut, an ihr Lachen. Er hörte wieder, was sie gesagt hatte, Dinge, die ihn geärgert hatten oder zum Lachen gebracht, hörte wieder ihre Liebesworte. Nie hatte er einen langen Urlaub mit ihr verbracht, nie war er mit ihr ins Ausland gefahren. Eigentlich, dachte er, als er den neugierigen Blick seiner Platznachbarin sah, hatte er nie länger als einen Tag mit ihr verbracht. Nur wenige Nächte waren sie bis zum Morgen zusammengewesen. Im allgemeinen hatte sie nach einigen Stunden gesagt: »Es wird Zeit, ich muß nach Hause.«
    Diese Reise macht mir unsere versäumten Gelegenheiten klar, dachte er, doch diese Erklärung brachte ihm keinen Trost, sie erleichterte nicht das Gefühl des Verlustes.
    Die Einreiseprozedur am Flughafen blieb ihm nicht erspart. Auch seine Papiere wurden geprüft, als sei er ein illegaler Einwanderer, auch wenn sie sich nicht die Mühe machten, seinen Koffer zu durchwühlen.
    »Die Amerikaner kennen kein Pardon«, sagte Schatz, »man kann hier nichts ›organisieren‹, für niemanden. Ich kann hier so viele Leute kennen, wie ich will, aber die Amerikaner sind Hunde, sie lassen sich auf keine Tricks ein. Sogar ich kann Sie nicht ohne Kontrolle durchschleusen.«
    Schatz schwitzte in seinem cremefarbenen Safarianzug, als er Michael hinausführte. Michael gab keine Antwort, er war müde und wie im Schock.
    Das Auto war so groß, genau wie die im Kino. »Ein alter Pontiac«, sagte Schatz, als er Michael die Tür aufmachte. Schatz saß am Steuer und begann sofort mit einer Rede über die Vorzüge seiner wunderbaren Stellung. »Es gibt nur einen einzigen Vertreter für die ganze israelische Polizei, und das bin ich. Es war schwer, wirklich sehr schwer, diesen Posten zu bekommen, das kann schließlich nicht jeder. Was für eine Stadt!« In seinen Monolog, einer erstaunlichen Mischung aus englischen, hebräischen und arabischen Wörtern, flocht er auch Bemerkungen über die Umgebung ein. Von Zeit zu Zeit deutete er auf etwas hin, nannte Namen, gab Richtungen an. Je weiter sie sich vom Flughafen entfernten, um so größer wurde das Gefühl des Schocks.
    »Vierundneunzig Prozent Feuchtigkeit und neunzig Grad Fahrenheit, ein schwerer Tag«, entschied Schatz, als er prüfte, ob die Fenster geschlossen waren. »Aber glauben Sie mir, mein Freund, es ist nicht so schlimm wie in Tel Aviv. Hier ist alles klimatisiert, wirklich alles! Schauen Sie sich dieses Auto an, toll, was?«
    Michael kam es vor, als sei er in der Hölle. Die feuchte, heiße Luft, die ihm entgegengeschlagen war, als sie das Flughafengebäude verlassen hatten, die breiten, mehrspurigen Straßen, der aufsteigende Dampf, »von den U-Bahnen«, erklärte Schatz, das graugrünliche Licht, die von Fotos und Filmen her bekannten Wolkenkratzer, die riesigen Autos, die an ihnen vorbeifuhren, Limousinen, hinter deren Vorhängen Leute sitzen mußten, und er bewunderte Schatz, der es schaffte, den Hunderten von gelben Taxis auszuweichen, die mit großer Schnelligkeit fuhren und alles überholten, was ihnen in den Weg kam.
    Sie fuhren lange, und Michael verlor jede Orientierung. Schatz sagte unterwegs: »Es ist ein ziemliches Stück bis La Guardia, aber wir werden rechtzeitig ankommen. Von dort geht Ihr Flug nach Carolina, und von dort fahren Sie dann auch zurück zum Kennedy.« . Michael warf ihm von der Seite einen Blick zu. Obwohl sein Gesicht so dick war, konnte man doch sagen, daß er eigentlich gut aussah. Doch der Speck, ein gieriger, verschlagener Ausdruck und der Schweiß, der ihm, trotz des klimatisierten Autos, unablässig herunterlief, machten ihn abstoßend.
    »Ich verstehe allerdings nicht, warum Sie nicht wenigstens für einen Tag in New York bleiben wollten, wir hätten in eine Bar gehen können. Sie haben ja keine Ahnung, was es hier alles gibt«, sagte er verschwörerisch und schaute Michael, der die Landschaft betrachtete, von der Seite an. »Na ja, wenn es nicht geht, geht es nicht, da kann man nichts machen. Aber glauben Sie mir, ich hätte es niemandem erzählt, wenn Sie einen Abstecher gemacht hätten.«
    »Das glaube ich Ihnen«, sagte Michael, ohne den Kopf vom Fenster zu drehen.
    »Und wann wollen Sie Ihre Einkäufe erledigen? Kaufen Sie ja nichts am Flughafen, das sind alles Gauner, diese Duty-free-Shops, glauben Sie mir. In Lexington gibt es Geschäfte, wo Sie nicht wissen, was Sie nehmen sollen, dort gibt's alles. Ich könnte Ihnen etwas kaufen, wenn Sie wollen, und Ihnen die Tortur ersparen. Was meinen

Weitere Kostenlose Bücher