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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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noch den ganzen Tag. Ich habe keine Kraft, mit ihr zu sprechen.«
    Als sie den Stecker in die Dose neben Tuwjas weißem Sofa steckte, fing das Telefon an, ohrenbetäubend zu klingeln. Tuwja nahm den Hörer ab und hielt ihn in einiger Entfernung zum Ohr. Seine dünnen, farblosen Haare standen ihm wirr um den Kopf, und seine Kopfhaut war zu sehen. Der Anblick bereitete ihr Übelkeit.
    Von der anderen Seite war die Stimme eines Mannes zu hören. Eine Stimme, die Ruchama kannte, schrie förmlich in den Hörer. Obwohl sie neben der Tür stand, verstand sie fast jedes Wort.
    »Wo ist Tirosch? « brüllte Aharonowitsch, und ohne eine Antwort abzuwarten: »Hast du heute morgen schon mit Adina gesprochen?«
    Tuwja sagte leise, er habe noch mit niemandem gesprochen.
    »Dann weißt du noch gar nicht, was passiert ist?« fragte Aharonowitsch.
    Mit heiserer Stimme erkundigte sich Tuwja, was denn passiert sei. Er drückte den Hörer ans Ohr, und die kleinen Äderchen in seinem Gesicht wurden blau, während er schweigend zuhörte. »Gut, ich komme sofort zur Fakultät«, sagte er und legte den Hörer auf.
    Plötzlich schaute er Ruchama an, als sähe er sie zum ersten Mal. Er betrachtete sie erstaunt, mit einer Fremdheit, die sie noch nie in seinen Augen gesehen hatte, und sagte: »Ido Duda'i ist umgekommen, bei einem Taucherunglück.« Ruchama sah ihn verständnislos an.
    »Er hat einen Tauchkurs mitgemacht. Er mußte noch zweimal tauchen, um den Schein zu bekommen. Vorgestern ist er nach Eilat gefahren, gleich nach der Versammlung. Gestern ist es passiert, Einzelheiten weiß ich noch nicht. Ich fahre zur Fakultät. Wenn jemand mich sucht, dann sag, daß ich im Sekretariat bin. Sie versucht seit gestern abend, Scha'ul zu erreichen.«
    »Wer? Wer hat ihn gesucht?« fragte Ruchama mit kaum verhohlener Panik.
    »Ruth Duda'i hat Adina informiert, und Adina hat gestern noch angefangen, hinter ihm herzutelefonieren, von zu Hause, hat ihn aber nicht erreicht.« Tuwja suchte fieberhaft nach den Autoschlüsseln und fand sie schließlich unter der Kopie des ersten Teils von Ido Duda'is Doktorarbeit. Er schüttelte sich, murmelte etwas Ironisches und verließ das Haus.
    Ruchama blieb noch eine Weile mitten im Zimmer stehen, dann setzte sie sich langsam auf das Sofa. Das lange T-Shirt, das ihr als Nachthemd diente, hatte sie seit letztem Donnerstag nicht mehr ausgezogen. Ihr Blick fiel auf ihre nackten Knie. Langsam, wie unter dem Einfluß von Beruhigungsmitteln, legte sie die Hand auf ein Knie und streichelte mit ihren dünnen, kurzen Fingern darüber. »Die Hand eines Kindes«, hatte Scha'ul manchmal gesagt und die Hornhaut geküßt, die vom Lutschen an ihrem Daumen zurückgeblieben war. Ruchama steckte den Daumen in den Mund. Der süße, beruhigende Geschmack von früher war verschwunden. Dann schaute sie sich um, als befände sie sich an einem fremden Ort.
    Allmählich nahm sie die Titel der Bücher vor dem Sofa wahr, die Gedichtbände Tiroschs: Das süße Gift des Geißblatts, Hartnäckige Brennesseln, Notwendige Gedichte.
    Die Wörter klangen wie Töne in ihren Ohren, ohne Bedeutung. Die Farben der Einbände, von denen zwei von Ja'akov Gafni, Tiroschs Lieblingsmaler, gestaltet worden waren, kamen ihr unerträglich grell vor.
    Ohne daß sie wußte, warum, legte sie die Bücher auf einen Haufen. Als sie auf dem Boden kniete, erblickte sie unter dem Kissen ein weiteres Buch, das nicht von Tirosch stammte. Lieder eines grauen Kriegs stand auf dem Umschlag, und darunter »von Anatoli Ferber«. Und weiter: »Bearbeitet und herausgegeben von Scha'ul Tirosch«.
    Ruchama schaute unter das Sofa und zog von dort Tuwjas Buch hervor: »Die Bedeutung Tiroschs – Betrachtungen zu den Gedichten von Scha'ul Tirosch«, außerdem noch zwei Sonderdrucke, Vorlesungen über Gedichte von Scha'ul Tirosch.
    Er hat es ihm gesagt, dachte Ruchama. Scha'ul hat ihm alles erzählt. Er hat es ihm gebeichtet, und jetzt überlegt Tuwja, ob er die Beziehung zu ihm abbrechen soll. Vielleicht auch mit mir. Ruchama stand auf. Ihre Knie waren voller Staub. Vor zwei Monaten hatte Tuwja zuletzt sein Zimmer saubergemacht. In den Ecken neben dem Schreibtisch lagen dicke Staubflocken. Ohne zu überlegen, wischte sie den Staub mit der Hand zu einem dicken Knäuel zusammen.
    Das Klingeln des Telefons ließ sie zusammenfahren. Erst ging sie nicht hin. Es klingelte hartnäckig weiter, dann hörte es auf, um kurz darauf wieder anzufangen, als wolle es bis in alle Ewigkeit damit

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