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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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hatte die Dinge so zu nehmen, wie sie waren, und ihre Zunge zu hüten.
    Sie setzte sich an ihren Tisch und gestand sich ein, daß die Nachricht, obwohl sie Ido Duda'i gemocht hatte und von seinem Tod erschüttert war, sie doch nicht so sehr mitnahm, daß sie nicht arbeiten konnte. Schließlich kannte sie ihn, überlegte sie, nur vom Sekretariat des Fachbereichs und hatte mit ihm immer nur über Dinge gesprochen, die mit der Arbeit zusammenhingen. Sie setzte ein sehr beschäftigtes Gesicht auf, was sich als überflüssig herausstellte, denn Adina achtete gar nicht darauf, was sie tat.
    Die Sekretärin selbst konnte nicht mal eine Minute auf ihrem Stuhl sitzen bleiben. Kaum saß sie, da sprang sie auch schon wieder auf. Ihr Tisch stand links vom einzigen Fenster des Raums, gegenüber der Eingangstür, und jede Minute klopfte jemand an. Drei Studenten, die ihren ganzen Mut zusammennahmen, um etwas zu klären. Einer nach dem anderen erhielten sie den üblichen Vortrag: »Erstens sind jetzt keine Sprechstunden, kommen Sie bitte zu den angegebenen Zeiten, weshalb haben wir sonst überhaupt Sprechstunden?« Und dann der Zusatz: »Und außerdem fällt die Sprechstunde heute aus, wie dem Anschlag zu entnehmen ist.«
    Der Gesichtsausdruck des letzten Studenten grub sich in Rachelis Bewußtsein ein, der Blick eines Menschen, der vor jemandem steht, der die oberste Macht repräsentiert, und der, obwohl er weiß, daß ihm das schlecht bekommt und er besser verschwinden würde, hilflos stehenbleibt und sich der scheinbar logischen Beweisführung aussetzt. Die Fakultätssekretärin begründete ihre Handlungen immer und drückte sich ihren Opfern gegenüber stets höflich aus.
    Wenn es sich um Assistenten und Professoren der Fakultät handelte, wurde ihre Argumentation persönlicher: »Ich muß Sie bitten, draußen zu warten, bis ich mit dem Telefongespräch fertig bin, ich kann nicht gleichzeitig sprechen und nachdenken und Ihnen behilflich sein. Nein, Sie können unmöglich hier sitzen und warten, das lenkt mich zu sehr ab.«
    Sie brachte die ehrwürdigsten Professoren dazu, schon an der Tür einen Ausdruck christlicher Demut aufzusetzen. Sobald sie einen von ihnen hereinkommen sah, wurde ihre Stimme höher, ihre Augen zeigten Erschrecken, und dann spielte sich ein festes Ritual ab. Ostentativ räumte sie alle Unterlagen vom Schreibtisch (immer gab es in einer Ecke des Tisches einen ordentlichen Stapel von Aktenordnern und Papieren, den sie bereit war in Angriff zu nehmen: »wenn man mich nur ließe«). Dann legte sie ihre weichen Hände vor sich auf den Tisch und schien mit ihrer ganzen Person auszudrücken: »Hier bin ich und stehe Ihnen zur Verfügung; nichts in meinem Leben ist wichtiger als die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse.« Aber niemand ließ sich von dieser Vorstellung täuschen; die versteckte Botschaft hinter der offiziellen war deutlich sichtbar: »Gehen Sie – Sie stören meine Ordnung.«
    Racheli mußte immer an ihre Tante Zescha denken, an die Plastikdecken, die diese über die Möbel im Wohnzimmer zu breiten pflegte, an die beiden Kinder der Tante, die gezwungen waren, die meiste Zeit draußen zu spielen, um nichts kaputt oder schmutzig zu machen, und manchmal ertappte sie sich sogar selbst dabei, daß sie einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, wenn der Professor das Sekretariat verließ und die Spannung sich wieder löste.
    In der vergangenen Woche, als sogar Aharonowitsch wie ein ängstlicher Schüler an der Tür gestanden und gefragt hatte, ob er mal stören dürfe, hatte Racheli entschieden, wie das Thema ihrer Seminararbeit lauten würde: »Der Einfluß einer zwanghaften Persönlichkeit auf das Verhalten ihrer Kollegen am Arbeitsplatz.« An diesem Morgen versuchte sie insgeheim die Reaktion der Fakultätssekretärin vorauszusehen. Sie hatte angenommen, daß Adina sich noch fester an ihren Tagesablauf klammern würde, doch sie hatte sich geirrt.
    Adinas Gesichtsausdruck zeigte, daß sie gewillt war, vollkommen auf einen funktionalen Ablauf zu verzichten. Der plötzliche Todesfall muß sie ziemlich aufgeregt haben, dachte Racheli, um so mehr, als Ido Duda'i im Sekretariat eine Sonderstellung eingenommen hatte. Er hatte mütterliche Gefühle in Adina geweckt. Er war auch der einzige gewesen, der sich interessiert die Geschichten über ihre Enkelkinder angehört hatte, der mit ihr über Heilpflanzen geredet und sogar Rezepte getauscht hatte, vor allem zu verschiedenen Diäten. Ihm hatte Adina sogar die

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