Am Anfang war das Wort
des Vormittags kamen die Dozenten einer nach dem anderen ins Sekretariat, und an ihrem Gesichtsausdruck merkte Racheli, ob sie die Nachricht schon mitbekommen hatten oder nicht. Tuwjas Anblick machte ihr eine Gänsehaut. Seine wäßrigen Augen waren blutunterlaufen, als habe er eine ganze Nacht durchgefeiert, wobei sogar Racheli, die Bürohilfe des Sekretariats, wußte, daß Dr. Schaj seine Nächte nicht durchfeierte. Die Art, wie er hereinplatzte, der gehetzte, verzweifelte Blick, den er über die Gesichter der Anwesenden gleiten ließ, die zerbrochene Stimme, als er fragte, ob weitere Einzelheiten bekannt seien, verwirrten Racheli.
Der sonst so ruhige, bis zur Langeweile bescheidene Mann sah jetzt irgendwie nackt aus. Seine Kleidung war zerknittert, als habe er darin geschlafen, graue Bartstoppeln bedeckten seine Wangen, seine dünnen Haare hätten einen Kamm nötig gehabt. Adina Lifkin bemerkte das alles, aber sie hütete sich, einen Kommentar abzugeben. Schließlich – so hätte sie sicher gesagt, wenn man sie gefragt hätte – war ja eine Katastrophe passiert.
Es sei nicht nur ihr Sinn für Humor, der sie rette, sagte Racheli zu Dovik, der ihr den Arbeitsplatz verschafft hatte und seiner Verwunderung Ausdruck gab, daß sie so lange durchgehalten hatte. »Zehn Monate! In den letzten beiden Jahren hatte die Lifkin schon fünf Assistentinnen, und alle sind geflohen«, sagte Dovik, der in der Personalabteilung der Universität arbeitete.
Nein, Sinn für Humor reichte nicht, um fast ein Jahr lang die Launen Adina Lifkins auszuhalten. Lustigere Menschen als sie, behauptete Racheli, seien im Sekretariat zusammengebrochen und hätten vor Wut gebrüllt, als sie die Tür hinter sich zugeschlagen hatten. »Nur meiner wissenschaftlichen Neugier und der Tatsache, daß ich gerade eine Seminararbeit über zwanghafte Persönlichkeiten schreibe, ist es zu verdanken, daß ich es hier aushalte«, erklärte sie.
Racheli war Studentin für Psychologie im sechsten Semester und stand kurz vor dem Diplom. Über ihre Arbeit in der Abteilung Literatur sprach sie nur entschuldigend: »Alles in allem ist es eine bequeme Arbeit, ich habe mit ihr eine Abmachung wegen der Stunden, die ich zu den Vorlesungen gehe, sie mag es sowieso nicht, wenn jemand während der Sprechstunden im Zimmer ist. Aber was mich umbringt, sind die mitleidigen Blicke der anderen Sekretärinnen auf dem Campus. Jedesmal wenn ich in ein Büro komme und sage, daß sie mich geschickt hat, geraten die Leute in Panik und beeilen sich, mich wieder loszuwerden, und dann schauen sie mich an, als kehre ich in irgendein Straflager zurück.«
Ausgerechnet heute, sagte sich Racheli in einem Versuch, von der Katastrophe unberührt zu bleiben, funktionierte Adina vorbildlich. Schon morgens um acht Uhr hängte sie einen Zettel mit der klaren und deutlichen Information auf: »Wegen unerwarteter Umstände finden heute keine Sprechstunden statt«, und schloß die Tür ab. Racheli saß hinter ihrem Schreibtisch, in einer der fünf Ecken des Raumes, vor sich einen Stapel mit grünen Mappen, die noch vom Freitag liegengeblieben waren. Heute hätte sie weitermachen müssen.
Die Arbeit bestand darin, die Namen der Kurse und die Computernummern der Studenten, die Adina sturerweise zu Beginn des Semesters immer mit Bleistift notierte, auszuradieren und mit Kugelschreiber zu ersetzen. Überflüssig zu erwähnen, daß sich Adina dem Computer gegenüber verhielt wie zu einem Instrument, das nur dazu da war, ihr das Leben schwerzumachen. (»Am Anfang des Jahres wissen sie noch nicht so genau, was sie wollen, und wechseln Kurse, deshalb trage ich sie nur mit Bleistift ein, weil es mir leid tut, das Formular zu versauen, später, wenn sie sich fest eingeschrieben haben und ihre Arbeiten abgeben, bessere ich es dann mit Kugelschreiber aus, weil der Bleistift nämlich verblaßt. Das ist zwar doppelte Arbeit, aber so bleibt die Mappe sauber, und das wirst du bei anderen Leuten nicht so schnell finden.«)
Also wurde Racheli an diesem Morgen von den grünen Mappen begrüßt. Als sie ins Zimmer trat, fand sie natürlich Adina schon vor, die, wie üblich, um sieben Uhr gekommen war. Ihre Augen waren rot, und ihr Tisch war leer. Sie teilte Racheli die Neuigkeiten mit und fügte hinzu: »Heute kann man unmöglich arbeiten. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Was für ein Verlust! So ein vielversprechender junger Mann!«
Racheli befahl sich, Adina nicht für ihre Klischees zu verurteilen. Sie
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