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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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an, er ist mit dem Auto gekommen, bestimmt finden Sie es in der Tiefgarage der Universität, es ist nicht zu übersehen, ein ganz besonderes Auto, ein Alfetta, Baujahr '79, es gibt nur zwei Exemplare dieses Modells in ganz Israel.« Dita Fuchs fing an zu weinen, und Michael bemerkte ihre Blässe, die geschwollenen Augen, als sie unter Schluchzen sagte: »Er hat sein Auto sehr geliebt. Vielleicht lassen Sie uns jetzt gehen? Der Polizist, der draußen steht, hat uns nicht erlaubt zu gehen, ich denke an meine Kinder, ich will einfach nach Hause.« Hinter ihrem kindlichen Ton verbarg sich hysterische Angst.
    Eli Bachar öffnete die Tür und flüsterte dem uniformier-ten Polizisten, der noch immer dort stand, etwas zu. Bevor die Tür wieder geschlossen wurde, sah Michael den Polizisten davoneilen.
    Er wandte sich wieder an Tuwja. »Was hatte er in Tel Aviv vor?« Der antwortete verlegen: »Das weiß ich nicht genau.«
    Er sieht selbst aus wie eine Leiche, dachte Michael.
    »Vermutlich irgendeine Frauengeschichte«, sagte Kalman Aharonowitsch trocken. Man sah ihm an, daß seine Boshaftigkeit für einen Moment die Angst besiegte. Erst da erkundigte sich Michael nach Tiroschs Familienverhältnissen.
    »Er war ein eingefleischter Junggeselle«, antwortete Schulamit Zelermaier, »er hatte keinen einzigen Verwandten in Israel.«
    Und dann stellte er die unvermeidliche Frage, bei der er sich immer vorkam wie ein Fernsehdetektiv: »Können Sie sich irgend jemanden vorstellen, der ein Interesse an seinem Tod gehabt haben könnte?«
    Im Zimmer herrschte gespanntes Schweigen, und wieder musterte Michael die Gesichter der Anwesenden. In manchen stand ein gewisses Zögern, in einigen Abscheu, und wieder anderen war anzusehen, daß sie etwas wußten, das sie nicht preisgeben wollten. Doch hinter dem, was die Gesichter ausdrückten, entdeckte Michael, wie unter einer dünnen Schicht Schminke, das wahre Gefühl, das sich hinter allem verbarg: Angst. Er blickte Adina direkt in die Augen, in denen er eine Mischung aus Entsetzen und Verschwiegenheit wahrnahm.
    Wer? schien sein Blick zu fragen, und sie rang die feuchten Hände und antwortete: »Ich habe keine Ahnung.« Hilfesuchend schaute sie die anderen an.
    »Weiß jemand von Ihnen, wo er politisch gestanden hat?« fragte Eli Bachar, und sofort ließ die Spannung nach. Tuwja antwortete: »Ich glaube, alle kennen seine politischen Ansichten. Er war Mitglied von ›Schalom achschaw‹ und hat politische Lyrik geschrieben.«
    Michael fragte, ob er eine der zentralen Figuren der Bewegung gewesen sei, ob er vielleicht bedroht worden sei.
    »Oh! Viele Leute hätten ihn gern tot gesehen, schon längst«, stieß Schulamit Zelermaier ungeduldig aus und erhob sich in ihrer ganzen Fülle vom Stuhl. »Und ich verstehe nicht, warum wir plötzlich alle schweigen. Es gibt Studenten hier, die er fertiggemacht hat, es gibt Frauen, mit denen er ein Verhältnis hatte, es gibt ihre Ehemänner, es gibt Dichter und andere aus der Literaturszene, die er gedemütigt hat, es gibt einfach eine Menge Leute, die sich über seinen Tod gefreut hätten. Wir sind ja völlig von Sinnen – es gibt keine Verbindung zwischen den beiden Todesfällen, zwischen Tirosch und Ido. Es ist Zufall! Reiner Zufall, versteht ihr?«
    Tuwja starrte sie erschrocken an, öffnete denMund, überlegte es sich dann anders und lehnte sich mit seinem mageren Körper an die Wand. Arie Klein betrachtete sie, als überlege er, ob sie verrückt geworden sei, und fragte mit zitternder Baßstimme: »Schulamit, vielleicht sollten wir uns trotzdem etwas zügeln. Das Drama ist schon schlimm genug, man muß es nicht noch schlimmer machen. Vielleicht gibt es viele Leute, die sich seinen Tod gewünscht haben, und vielleicht gibt es Leute, die sich freuen, wenn sie jetzt von seinem Tod hören, aber ich kann mir niemanden vorstellen, der das mit eigenen Händen gemacht haben könnte, und du wirst mir zustimmen müssen: Das ist ein entscheidender Unterschied.« Er wandte sich an Michael: »Und außerdem haben wir hier das Verbrechen nicht begangen, keiner von uns hat ihn ermordet. Vielleicht lassen Sie uns endlich gehen, und vielleicht bitten Sie uns höflich um unsere Unterstützung?«
    Eli Bachar ließ seinen prüfenden Blick von den Anwesenden zu Michael schweifen. »Du arbeitest gegen alle Regeln«, hatte er sich einmal beschwert. »Warum befragst du Zeugen, wenn sie zusammen sind? Warum wartest du nicht und verhörst sie einzeln?« Michael blickte auf

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