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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Jemin Mosche das Auto parkte, neben Balilatis Renault 4 und nicht weit vom Streifenwagen der Spurensicherung, und ausstieg. Eli Bachar schaute noch einmal auf den Zettel und sagte: »Okay, fangen wir an zu suchen.«
    Sie begannen die Stufen hinabzusteigen, die nach Jemin Mosche führten. »Und der Chamsin hat auch aufgehört«, sagte Eli Bachar.
     
     
     

Sechstes Kapitel
     
     
    Weil der Chamsin aufgehört hatte, war auch von einem Moment zum nächsten die drückende Luft verschwunden, und ein plötzlich aufkommender Wind brachte den Geruch von Blumen mit sich, als Michael die Stufen der Straße in das berühmte romantische Viertel hinunterstieg, das von Künstlern und Prominenten vereinnahmt worden war. Er blieb vor dem Musikzentrum stehen, während Eli Bachar, der vorausgegangen war, ihm winkte und das Schweigen mit einem Ruf »Hier, da ist es« unterbrach. Michael betrachtete die Häuser, die gepflegten Gärten, die Schilder der Kunstgalerien und fragte sich neugierig, wie Tiroschs Haus wohl aussehen mochte.
    Auf dem kleinen Vorplatz vor dem Haus, den man durch ein dunkles Eisentor betrat, war kein Garten. Nur einige Rosenstöcke und drei Statuen hoben sich gegen das Weiß der Hauswand ab.
    »Er war nichts und niemandem verpflichtet. Ein freier Mann, nicht einmal mit einem Garten hat er sich belastet«, sagte Michael laut, aber Eli reagierte nicht. Er öffnete die Tür, an der ein Keramikschild befestigt war. Auf hebräisch, englisch und arabisch stand darauf: Tirosch. Die schwere dunkle Holztür knarrte, als befände sich unter ihr grober Sand, und führte direkt in einen großen dämmrigen Raum mit einer Gewölbedecke, dessen Fenster zum Ben-HinomTal hinausgingen.
    Das letzte Licht des Tages tauchte das Zimmer in goldenes und purpurnes Licht und ließ es verzaubert, fast märchenhaft aussehen. Die Wände waren mit Büchern bedeckt, und das war, wie Michael feststellte, das einzig Warme an diesem Zimmer. Auf einem schmalen weißen Regal stand eine Stereoanlage, daneben eine Sammlung von Platten und Kassetten. Michael schaute sie durch und stellte fest, daß alle Wagneropern da waren, ebenso die Opern von Richard Strauss. Auf dem untersten Fach stand Kirchenmusik. Stabat Mater von Dvoøák und das War Requiem von Britten, außerdem noch ein Stück, von dem er noch nie etwas gehört hatte. Komponist und Titel waren mit verschnörkelten goldenen Buchstaben auf die Rückseite gedruckt, und er konnte sie nur mit großer Mühe entziffern: Glagolitische Messe von Janáèek. Kammermusik gab es überhaupt nicht. Michael schaute sich auch die Kassetten an. Er war beeindruckt von der überraschenden Sorgfalt, mit der die Namen der Komponisten, der Dirigenten und der Solisten notiert waren. Einen Fernseher gab es nicht.
    An den Wänden hingen nur zwei Bilder, eines von ihnen ließ Michael wegen des merkwürdigen Zufalls erschauern. Zwischen den beiden großen Fenstern hing das Gemälde eines schwarzen, wilden Meeres – und er wußte sofort, noch bevor er die Signatur gesehen hatte, von wem das Bild war: von Usis Vater.
    Es verwirrte Michael, dieses Bild in Tiroschs Haus zu finden. Die Umstände, die die Tatsache, daß Usi nach zwanzig Jahren wieder in sein Leben getreten war, mit Duda'is Tod und nun mit dem Haus Tiroschs verknüpften, erschreckten ihn. Erst später verstand er, daß der Grund für sein Erschrecken genau das Gefühl war, daß der Zufall über sein Leben bestimmte und daß es eine geheimnisvolle Gesetzmäßigkeit hinter diesen Ereignissen gab. Doch als er vor dem Bild stand, empfand er nur Erschrecken, den Wunsch, zu fliehen und einen starken Drang, die Welt zu verstehen, in die er da hineingeraten war.
    Das zweite Bild war kleiner, ein weiblicher Akt, eine Kohlezeichnung. Die Signatur konnte er nicht entziffern. Die Möbel im Raum waren rein funktional: zwei helle, kühle Sessel, ein strenges Sofa und einen Kaffeetisch – eine Mosaikplatte in einem glänzenden Nickelrahmen. Nirgendwo konnte er eine Blumenvase, eine Porzellanfigur oder irgendwelchen Nippes entdecken. Auf dem Kaffeetisch stand ein großer, blauer Aschenbecher aus Hebronglas neben einer Nummer des New Yorker. Michael blätterte geistesabwesend in der Zeitschrift herum, mit den Gedanken noch immer bei dem Bild, das er an der Wand entdeckt hatte. Balilati und zwei Leute von der Spurensicherung kamen plötzlich aus einem anderen Zimmer. Das Haus hatte außer dem Zimmer, das Balilati »Salon« nannte, ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer und

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