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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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unser einziger Fall. Nicht, daß ich mich aus allem rausziehen will ... Aber wir müssen realistisch sein.« Michael blickte Arie Levi besorgt an.
    Dieser nahm einen Stift und notierte sich etwas. Schließlich sagte er zerstreut: »Gut, ich spreche mit Giora, er soll Ihnen alle notwendigen Informationen zukommen lassen. Aber Sie müssen aufpassen, daß Sie weiter über alles Bescheid wissen, verstanden?« Er strich sich mit der Hand über den dünnen Schnurrbart.
    Erst als Michael das Zimmer verließ und Gila zulächelte, während er ihr mit dem Finger über die Wange fuhr, fiel ihm auf, daß der Satz, mit dem Levi üblicherweise ihre Gespräche beendete (»Das ist hier keine Universität!«), heute kein einziges Mal gefallen war, und aus irgendeinemGrund störte ihn das. Könnte es sein, dachte er, daß ich in den Augen des Polizeichefs ein normaler Mensch geworden bin – eine Möglichkeit, die Vorteile, aber auch eine ganze Reihe von Nachteilen hatte?
    Tuwja Schaj saß noch immer neben der Tür zu seinem Zimmer. Er hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben. Michael traf erst noch eine Verabredung mit Imanuel Schorr, seinem Vorgänger im Amt, dann rief er Tuwja Schaj herein. Er mußte zu dem Mann hingehen und ihn an der Schulter berühren, erst dann erwachte Schaj aus seiner Erstarrung, sprang erschrocken auf und folgte der Aufforderung. Für eine Sekunde wurde sein Gesicht lebendig, dann fiel der Vorhang, und er sah wieder gleichgültig aus.
     
     
     
     
     
     
     
     

Neuntes Kapitel
     
     
     
    Tuwja Schaj saß ihm gegenüber und beantwortete jede Frage. Seine Antworten waren sachlich, seine Sprache klar und präzise. Mit monotoner Stimme beschrieb er die Ereignisse der letzten Stunden, die er mit Scha'ul Tirosch verbracht hatte. Zuerst konzentrierte Michael sich auf das Mittagessen. Scha'ul Tirosch habe Gemüsesuppe und ein Putenschnitzel mit Kartoffeln gegessen, berichtete Tuwja Schaj und blinzelte mit den Augen, er selbst habe nur eine klare Brühe zu sich genommen. Er habe keinen Hunger gehabt, wegen des Chamsins, erklärte er auf Michaels Frage. Er erinnere sich, daß es halb eins war, als er Tirosch zu seinem Zimmer begleitete. Er sei noch mit hineingegangen, erklärte er, wiederum als Antwort auf eine Frage, weil er noch etwas habe holen müssen.
    Auch als Michael wissen wollte, um was es sich gehandelt habe, wich er nicht aus, fragte nicht: Wieso ist das wichtig?, sondern antwortete sachlich: »Ein Prüfungsbogen mit Fragen, die Scha'ul für seine Studenten vorbereitet hatte. Er hatte mich gebeten, den Bogen am Sonntag Adina zum Kopieren zu bringen.« Die Frage, ob er bereit sei, sich einem Test mit dem Detektor zu unterziehen, beantwortete er ungerührt: »Warum nicht?«
    Trotz seiner sachlichen, direkten Antworten wurde Michael zunehmend gereizter, je länger das Gespräch dauerte. Er hatte das fast körperliche Empfinden, daß Tuwja gar nicht anwesend sei. Dessen Haltung blieb unverändert, er saß entspannt da, die Hände vor sich auf dem Tisch, und sah Michael kein einziges Mal an. Er starrte zu dem kleinen Fenster hinter den Schultern des Kriminalbeamten hinaus, als lausche er anderen Stimmen, als führe er parallel zu diesem ein anderes Gespräch.
    Michael hatte das Gefühl, als sitze ein Schatten vor ihm, der Körper eines Menschen, dessen Natur ein Geheimnis blieb. Sätze, die er sagte, wie: »Ich habe gehört, Sie hätten sich sehr nahegestanden«, wurden mit einem unverbindlichen Nicken beantwortet. Auch als er sagte: »Dieser Mord muß Sie jedenfalls tief getroffen haben, nicht wahr?«, bewegte sich Tuwja Schaj nicht, er zuckte nicht mit der Wimper, sondern nickte auf die gleiche mechanische Art.
    Nur als Michael die Frage nach dem Tauchen stellte, lächelte der Mann müde und schüttelte den Kopf. Er habe noch nie getaucht. Nach einer knappen Stunde überlegte Michael, wie er ihn dazu bringen könnte, anwesend zu sein, beteiligt, und versuchte es mit einem Schock.
    »Sie wissen«, sagte er mit einer Stimme, die allmählich ebenfalls leblos wurde, und steckte sich eine Zigarette an, »daß der Tod von Ido Duda'i kein tragischer Unfall war.« Er betrachtete Schaj und bemerkte, wie sich dessen Schultern zusammenzogen, dann erhob er seine Stimme und fuhr fort: »Er wurde ermordet!«
    Die Atemzüge Tuwja Schajs waren das einzige Geräusch, das als Antwort auf die Bombe, die Michael geworfen hatte, im Zimmer zu hören war. Tuwja Schaj sagte kein

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