Am Anfang war das Wort
den Sie gesehen haben, Blade Runner, haben Sie ihn zum ersten Mal gesehen?«
Tuwja Schaj schüttelte den Kopf. »Nein, zum dritten Mal.« Wieder blitzte etwas in seinen Augen auf und verschwand sofort wieder.
»Ich verstehe, daß Sie diesen Film mögen«, meinte Michael beiläufig und sah das erfreute Kopfnicken.
»Und wer saß neben Ihnen?«
Tuwja Schaj zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich wirklich nicht.«
»Haben Sie dort niemanden getroffen? Hat Sie jemand gesehen?«
Nach einigem Nachdenken antwortete Tuwja Schaj: »Ich habe nicht darauf geachtet, ich weiß es nicht.«
»Vielleicht haben Sie noch die Eintrittskarte?
»Nein«, antwortete Schaj entschieden.
»Woher wissen Sie das so genau?« fragte Michael.
»Weil sie mich während des ganzen Films gestört hat, und zum Schluß habe ich sie weggeworfen.«
»Vielleicht hat Sie der Platzanweiser gesehen? Der Kassierer? Irgend jemand?«
»Erstens sind es eine Platzanweiserin und eine Kassiererin, beides junge Mädchen, und zweitens weiß ich es nicht, ich glaube es nicht.«
»Warum? Sie gehen doch oft hin, oder?«
»Ja, aber es ist kein gesellschaftliches Ereignis«, antwortete Tuwja Schaj und senkte die Augen.
»Wir werden es jedenfalls nachprüfen«, warnte Michael, und Schaj zuckte wieder mit den Schultern.
»Wann war der Film zu Ende?« fragte Michael.
»Um Viertel nach vier, halb fünf, ich erinnere mich nicht genau, aber es steht im Programm, wie lange der Film dauert, Sie können es leicht nachprüfen.«
»Gut, das werden wir tun. Und was haben Sie nach dem Film getan? «
»Ich bin herumgelaufen«, antwortete Schaj und blickte zu dem Fenster hinter Michaels Stuhl.
»Wo?« fragte Michael ungeduldig. Der Mann sagte von sich aus nichts, man mußte ihn nach allem fragen. Und trotzdem wirkte er nicht zurückhaltend, eher so, als sei er nicht da.
»Ich bin zu Fuß nach Hause gegangen, durch das Jaffator bis nach Ramat Eschkol.«
»Und was war mit Ihrem Auto? Haben Sie ein Auto?«
Ja, er hatte einen Subaru, aber er hatte ihn morgens zu Hause, auf dem Parkplatz, stehen lassen.
»Gehen Sie immer zu Fuß zur Universität?«
Nein, nicht immer, aber manchmal. Freitags ginge er für gewöhnlich zu Fuß.
Michael wartete auf eine zusätzliche Erklärung, ein Hinweis, wie gesund körperliche Bewegung sei oder wie sehr er die Stadt liebe. Es kam keine.
»Ich möchte die Sache verstehen. Sie sind vom Har haZofim zur Cinematheque gegangen und dann von der Cinematheque nach Hause, und alles zu Fuß?«
Tuwja Schaj nickte.
Auf die nächste Frage antwortete er im gleichen Ton, ohne Ärger in der Stimme: »Nein, ich habe niemanden getroffen.« Aber vielleicht habe er auch nicht aufgepaßt.
»Ich erinnere mich nicht genau, wann ich nach Hause gekommen bin. Am Abend. Es war schon dunkel.« Wieder senkte er den Kopf und musterte den Boden zwischen seinen Füßen und dem Tisch. Michael sah nur die hellen Wimpern und die rötlichen, wie entzündeten Lider, das dünne, farblose Haar. »Meine Frau war zu Hause, aber sie hat geschlafen«, beantwortete er die nächste Frage.
»Da wir gerade von Ihrer Frau sprechen«, sagte Michael und zündete sich noch eine Zigarette an, »wie haben Sie die besondere Beziehung zwischen Ihrer Frau und Tirosch empfunden?« Er hoffte, die Zigarette würde davon ablenken, mit welcher Intensität er die Frage gestellt hatte. Für sein Gefühl begann das Verhör erst in dieser Sekunde. Er war auf Protest, auf irgendeine dramatische Frage vorbereitet.
Zu seiner Verwunderung protestierte Tuwja nicht. Er fragte nicht, was die Formulierung »besondere Beziehung« zu bedeuten habe. Er schwieg, hob jedoch den Kopf und warf Michael einen Blick zu, der seinen Abscheu vor der Primitivität der menschlichen Rasse im allgemeinen und der des Polizisten vor ihm im besonderen ausdrückte. Für einen Moment verzogen sich seine dünnen Lippen.
»Wie haben Sie die Sache empfunden?« fragte Michael noch einmal. »Haben Sie gewußt, daß Ihre Frau ein Verhältnis mit Scha'ul Tirosch hatte?«
Tuwja Schaj sah ihn an und nickte. In seinen Augen sah Michael, abgesehen von der vollkommenen Verzweiflung, auch eine gewisse Verachtung, wobei jedoch nicht klar war, ob diese Verachtung ihm oder dem Thema galt.
»Also, wie haben Sie es empfunden?« wiederholte er und wartete.
Da keine Antwort kam, sagte er mit ruhiger Stimme: »Sie wissen, daß das üblicherweise als Mordmotiv gilt.« Tuwja Schaj schaute ihn schweigend an.
»Dr. Schaj«, sagte Michael
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