Am Anfang war das Wort
und dachte an die schwarze Madonna. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, doch er empfand keine Lust, sie zu berühren, und bereits zu diesem Zeitpunkt wunderte er sich, warum ihre Schönheit kein körperliches Verlangen in ihm weckte, nur den Wunsch, sie immerfort zu betrachten. Laut fragte er: »Und wer behandelt Sie heute?« und bedauerte es sofort.
Es war, als falle ein Vorhang vor ihrem Gesicht herunter, es bekam einen eisigen Ausdruck, dann sah sie wieder so gelassen aus wie vorhin, als er das Zimmer betreten hatte. Sie machte sich nicht die Mühe zu antworten. Ich wäre weitergekommen, dachte er, ich hätte mit dieser Frage warten sollen. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme sanft: »Das geht Sie nichts an. Das ist streng vertraulich. Er würde ohnehin nicht mit Leuten wie Ihnen sprechen. Vom Arztgeheimnis haben Sie doch wohl gehört, nicht wahr?«
»Sagen Sie, waren Sie bei der Fakultätssitzung am Freitag nachmittag?« fragte er und nahm ihr den Wind aus den Segeln.
Ja, sie war dort gewesen.
»Haben Sie Professor Tirosch gesehen?«
»Ja natürlich, er war bei der Sitzung.«
»Hat er so wie immer gewirkt?«
»Was meinen Sie damit? Was heißt ›so wie immer‹?« fragte sie und hielt ihm einen langen, ernsthaften Vortrag darüber, mit derselben sanften Stimme, daß Menschen nie immer gleich aussähen, daß jeder an jedem Tag anders aussähe.
Michael betrachtete sie, während sie sprach, ihre roten Lippen ohne eine Spur von Schminke, und fragte sich wieder, warum er keine Lust verspürte, sie zu berühren.
Ihr fehlt menschliche Wärme, entschied er, und fragte: »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
»Auf der Sitzung am Freitag«, antwortete sie nervös, deshalb fragte er: »Und später?«
Mit ihrer sanften Stimme wiederholte sie: »Und später?« Michael schwieg. »Was meinen Sie damit?« fragte sie zunehmend nervöser.
»Vielleicht haben Sie ihn nach der Sitzung noch einmal gesehen? Vielleicht haben Sie was von ihm gehört? Vielleicht waren Sie in seinem Zimmer?«
»Am Freitag, nach der Sitzung, bin ich mit dem Taxi zu meinen Eltern gefahren.«
»Wo wohnen Ihre Eltern?«
Sie gab keine Antwort auf seine Frage, er wiederholte sie. Wieder antwortete sie nicht.
Es war schon ein Uhr mittags. Ohne ein Wort zu sagen, verließ Michael das Zimmer. Rafi Elfandari befand sich im Raum nebenan. »Vergeude nicht den ganzen Tag mit ihr«, sagte Michael, nachdem er ihm kurz das Wichtigste berichtet hatte. »Versuche nur herauszubekommen, wo ihre Eltern wohnen, wann das Taxi sie von der Universität abgeholt hat, was sie am Freitag getan hat. Und sag ihr, daß wir mit ihr einen Test mit dem Lügendetektor machen wollen, und informiere sie, zu welchen Themen wir sie befragen werden. Von mir aus kann sie ihren Rechtsanwalt mitbringen.«
Vor der Tür zu seinem Zimmer stieß er auf Dani Balilati. »Ich habe dich gesucht, komm einen Moment rein«, sagte Balilati, schwitzend und kurzatmig. Michael warf einen Blick auf Tuwja Schaj, der noch immer vor sich hin starrte und vollkommen gleichgültig wirkte.
Als sie im Zimmer waren, sagte Balilati: »Ich habe einiges für dich. Erstens, Tiroschs Auto ist gefunden worden. Auf dem Parkplatz vom Hadassakrankenhaus auf dem Har haZofim: Meine Meinung ist, daß jemand, derjenige, der den Mord begangen hat, das Auto dort hingebracht hat, um zu verhindern, daß die Leiche bald gefunden wird. Die Autoschlüssel waren drin, und damit ist auch ein anderes Problem gelöst, denn die von der Spurensicherung haben sich schon die ganze Zeit gewundert, daß sie nirgends einen Autoschlüssel gefunden haben. Und zweitens«, Balilati stopfte sich das Hemd in den Gürtel und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn, »Professor Arie Klein ist schon am Donnerstag nachmittag nach Israel zurückgekommen, nicht erst am Sabbat. Ohne seine Familie, die ist wirklich am Sabbat abend angekommen. Drittens: Es gibt eine Frau, Ja'el Eisenstein, die aufgrund psychiatrischer Behandlung aus der Armee entlassen worden ist und die damals irgendwie mit Tirosch in Verbindung stand.« Balilati warf Michael einen triumphierenden Blick zu und lächelte ihn erwartungsvoll an.
»Gut, gut«, antwortete Michael und lächelte zurück, »weißt du Details?«
Balilati versprach, Kopien der psychologischen Gutachten zu besorgen, »innerhalb von ein paar Stunden«. Michael fragte nicht, wie der Nachrichtenoffizier an die geheimen Akten herankommen wollte. Im Lauf der Jahre, die er schon mit
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