Am Anfang war das Wort
Ausdruck auf dessen Gesicht wirklich Erleichterung bedeutete.
»Ja, das Fernsehen«, antwortete Tuwja. »Wegen Scha'ul. Die Medien haben ihn geliebt.« Und dann versank er wieder in sich selbst, den Blick auf die Füße gerichtet.
Das Unglück, das Schaj wie ein undurchdringlicher Panzer umgab, erweckte in Michael hilflosen Zorn. Der Wunsch, dem anderen weh zu tun, verwandelte sich in einen Entschluß, für den er später ein Dutzend rationale Erklärungen hatte finden können, aber der Wunsch, dem anderen weh zu tun, war zuerst da, ohne erkennbaren Grund. Etwas an den Reaktionen Schajs verwirrte ihn, und er wußte nicht, was es war. Vielleicht, dachte er später, lag es daran, daß Schaj keinerlei Grauen vor dem Tod Ido Duda'is zeigte. Obwohl man ihm ansehen konnte, daß die Nachricht neu für ihn war, reagierte Schaj weder wütend noch entsetzt. Als sei ihm die Tatsache zwar neu, nicht aber ein wie immer geartetes, dahinterliegendes Prinzip.
»Aber Tirosch«, sagte er und hörte selbst, wie scharf und laut seine Stimme klang, »haben Sie offenbar nicht so gern gehabt.«
Tuwja Schaj antwortete nicht sofort, doch sein Blick wanderte zu Michael, und eine Spur von Interesse flackerte in seinen Augen auf.
Eine gewisse Neugier empfindet er trotzdem, dachte Michael und wartete auf die entsprechende Frage, die aber nicht kam. »Vielleicht haben Sie Scha'ul Tirosch ermordet?« fragte Michael und betrachtete die dünnen Arme, die schmalen Schultern, den schwächlichen Körper.
»Es steht Ihnen natürlich frei, so etwas zu denken«, antwortete Tuwja Schaj müde.
Die Frage, die eigentlich hätte kommen müssen, war: Und was für ein Motiv soll ich gehabt haben, ihn zu ermorden?
Sie wurde nicht gestellt, und Michael verschob aus Gründen, die er selbst nicht verstand, die Frage nach dem Motiv auf später. Die Mitglieder der Sonderkommission, die später das Band abhörten und auch die Aussage lasen, die Tuwja Schaj, ohne sie durchgelesen zu haben, unterschrieben hatte, sagten, jeder einzelne, daß Michael zu sanft gewesen sei, daß er die Frage nach dem Motiv nicht zum richtigen Zeitpunkt gestellt hatte. »Nun, das ist deine Methode«, sagte Eli Bachar zweifelnd, wobei er das Wort »deine« betonte, »du machst anfangs immer einen sanften Eindruck. Warum ist dir das eigentlich so wichtig?« Seine Stimme klang vorwurfsvoll. »Letztlich kommt mir das grausamer vor als meine Methode, nämlich mit dem Motiv anzufangen.«
Doch Michael Ochajon verschob, wie gesagt, die Frage nach dem Motiv auf später, statt dessen fragte er: »Und wer hat Sie gesehen, als Sie die Universität verließen?«
Tuwja Schaj zuckte mit den Schultern und sagte gleichgültig: »Keine Ahnung.«
Wieder schwiegen sie, bis Michael die Stille unterbrach. »Können Sie mir vielleicht sagen, was für Dinge sich normalerweise auf Tiroschs Schreibtisch auf dem Har ha-Zofim befanden?«
Ohne ein Wort zu dem plötzlichen Themawechsel zu verlieren, fing Tuwja an aufzuzählen: ein kleiner persischer Aschenbecher, ein viereckiger Briefbeschwerer, das große Büroheft, die Seminararbeiten in der rechten Ecke und schließlich die indische Statue.
»Was für eine Statue ist das genau?«
»Eine Statue des Gottes Schiwa, ziemlich alt, ungefähr so lang wie ein Unterarm, aus Messing und Bronze.«
Michael prüfte sorgfältig den Gesichtsausdruck Tuwja Schajs und konnte nicht die geringste Veränderung entdekken, auch nicht in seiner Stimme. »Und was haben Sie dann getan?« fragte er, und wieder fiel ihm auf, daß Tuwja Schaj keine Ausflüchte suchte, daß er nicht fragte: »Nach was?«, daß er keine Zeit gewinnen wollte.
»Ich bin ins Kino gegangen.«
»Wo?« fragte Michael und kritzelte etwas auf das Blatt Papier, das er vor sich liegen hatte.
»In der Cinematheque«, sagte Schaj, als sei das die selbstverständlichste Sache von der Welt.
»Welchen Film haben Sie gesehen?« fragte Michael und wartete gespannt auf die Antwort.
»Blade Runner«, antwortete Tuwja Schaj, seine Augen leuchteten auf, dann wurden sie wieder matt.
»Wer war bei Ihnen?« fragte Michael und drückte den Kugelschreiber langsam auf das Papier.
»Ich bin allein gegangen.«
»Warum?« fragte Michael.
Tuwja Schaj blickte ihn verständnislos an.
»Warum sind Sie allein gegangen?« fragte Michael noch einmal.
»Ich schaue mir freitags immer allein einen Film an«, sagte Tuwja, und dann, als Erklärung: »Ich gehe überhaupt oft alleine ins Kino. Mir ist das lieber.«
»Und der Film,
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