Am Anfang war der Seitensprung
und Seezunge in Zitronensoße verspeist und prosteten uns mit Weißwein zu.
»Herzlichen Glückwunsch, Anna«, sagte Friedrich und reichte mir ein großes Paket, das er unter seinem Stuhl gelagert hatte. Dann küßte er meine Hand. Gleich danach lächelte er verlegen, öffentliche Gefühlsausbrüche waren ihm peinlich.
Ich lächelte zurück. Es war ein strahlendes Lächeln, das tief aus meinem Inneren kam.
»Wow!« sagte ich und legte das Paket neben mich, »das ist ja riesig. Ich mache es später auf, o. k.?«
Ich hatte nicht mehr das Gefühl, alles sei umsonst gewesen. Ich war nicht einfach in mein altes Leben zurückgekehrt, denn ich war nicht mehr die alte.
Ich hatte eine wunderbare Liebe erlebt und viele wichtige Erfahrungen gemacht, Erfahrungen, die man mit achtunddreißig haben sollte. Nebenbei hatte ich zwölf Kilo abgenommen, und ich fühlte mich so gut wie noch nie in meinem Leben. Ich hatte herausgefunden, daß ich keine perfekte Mutter war. Und keine perfekte Mutter hatte.
Aber daß in uns beiden mehr steckte, als ich mir je hätte träumen lassen. Ich hatte viel weniger Ängste als früher.
Und ich wußte inzwischen, daß ich mit einem Mann verheiratet war, der gute Gespräche mindestens so schätzte wie guten Sex. Seit der Sache mit Lucy hatten Friedrich und ich so viel miteinander gesprochen wie in den sechzehn Jahren vorher zusammen.
»Ich habe ein kleines Bauernhaus gefunden«, hörte ich ihn jetzt sagen, »es ist renovierungsbedürftig, aber dafür ganz billig.«
Mein Lächeln erstarb. Das war doch kaum zu glauben, jetzt verdarb er uns den schönen Abend mit dieser leidigen Diskussion! Ich weiß nicht, wie oft ich ihm schon gesagt hatte, daß mir zuviel Natur aufs Gemüt schlägt.
»Fängst du schon wieder an? Ich will nicht aufs Land. Wenn ich schon umziehe, dann in die Stadt«, brauste ich auf. Er zog einen Umschlag aus der Tasche und legte ihn vor mir auf den Tisch.
»Was ist das?« fragte ich irritiert. »Schon wieder ein Gutschein?«
Ich öffnete den Umschlag und griff hinein. Es war ein Schlüssel. Um Gottes willen, er hatte diese olle Bauernkate doch hoffentlich nicht gekauft und wollte sie mir jetzt zum Geschenk machen?
»Das ist der Schlüssel für deine neue Wohnung«, erklärte Friedrich. »Vier Zimmer, große Wohnküche, Bad, Balkon, sonnig, ruhig und mitten in der Stadt. Nächsten Monat kannst du mit den Kindern einziehen.«
Ich war sprachlos.
»Und du?« flüsterte ich, als ich die Fassung wieder gefunden hatte.
»Das vierte Zimmer könnte das Gästezimmer sein.«
Ich war so überwältigt, daß ich nicht wußte, ob ich lachen oder weinen sollte.
»Willst du dich scheiden lassen?« war die erste Frage, die mir einfiel.
Friedrich lachte. »Im Gegenteil! Ich bin zu der Einsicht gekommen, daß es unserer Ehe guttun würde, wenn wir uns in Zukunft ein bißchen weniger wie Eheleute verhielten.«
»Wie meinst du das?« fragte ich verwirrt.
»Na ja, wer sagt denn, daß ein Ehepaar unbedingt zusammen wohnen muß? Wenn du glaubst, in der Stadt glücklicher zu sein, mußt du in die Stadt ziehen. Ich liebe dich und will, daß es dir gutgeht.« Nach einer kleinen Pause fügte er leise hinzu: »An den Wochenenden könnt ihr mich ja auf dem Land besuchen.«
Mir stiegen Tränen in die Augen. Tränen der Rührung.
Ich stand auf, lief um den Tisch herum und fiel Friedrich um den Hals. Er sah sich nervös um und versank fast in den Erdboden vor Verlegenheit, aber das war mir egal.
Hatte ich wirklich einen so tollen Mann geheiratet? Und wie kam es, daß ich es so lange nicht gemerkt hatte? Ich nahm mir vor, in Zukunft nicht mehr davon auszugehen, alles über die Menschen in meiner Umgebung zu wissen.
Ich hatte in letzter Zeit zu viele Überraschungen erlebt.
Zu Hause packte ich Friedrichs Geschenk aus. Es war eine blau-grüne Obstschale, ganz ähnlich wie die, die ich damals zertrümmert hatte. Kurz darauf war auch unsere Ehe um ein Haar in die Brüche gegangen. Die Scherben waren wie ein böses Omen gewesen.
Daß Friedrich mir nun wieder so eine Schale schenkte, bedeutete mir viel. Es war ein Zeichen der Hoffnung.
Noch vor ein paar Wochen hätte ich keinen Pfifferling für unsere Beziehung mehr gegeben. Aber vielleicht war seine Idee genau richtig. Wer wußte schon, was zwischen uns noch alles möglich war.
Ich umarmte Friedrich und hielt ihn lange fest.
»Danke«, flüsterte ich, »danke für alles!«
Ich weiß nicht, ob ich zufällig oder absichtlich am »Rio«
Weitere Kostenlose Bücher