Am Anfang war Quasarmagie: Ragnor Band 1 (German Edition)
Feuerstelle und vier Schlafräumen bestand. Kaum war er durch die schwere Tür getreten, hatte ihn Tana auch schon gesehen.„Ragnor, du unverbesserlicher Träumer, hast du das Heimkommen wieder mal vergessen”, rief sie ihm zu. Er horchte überrascht auf, denn die Stimme war gar nicht so barsch wie sonst, wenn er sich verspätet hatte, sondern klang locker und eher ein wenig amüsiert. Vorsichtig schaute Ragnor zu ihr auf, nachdem er vorher, in Erwartung der Standpauke, die Schultern angespannt und die Augen gesenkt gehalten hatte. Er blickte in ihr vertrautes Gesicht, welches von tausend Runzeln durchzogen war und in zwei gar nicht zornige braune Augen. Was war nur los? Vor Überraschung brachte er kein Wort heraus. Die ganze schöne Ausrede, die er sich zurechtgelegt hatte, war wie weggeblasen, denn er hatte mit der üblichen lang anhaltenden Standpauke gerechnet.„Na, Ragnor, keine deiner sonst so sorgfältig konstruierten Entschuldigungen? Das überrascht mich”, sagte sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen, als sie die Verwirrung des Jungen bemerkte. „Na ja, das ist wohl auch nicht notwendig. Morgen hast du Geburtstag und wirst ab dann neue Pflichten übernehmen”. Mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen schloss sie ihre Ansprache mit der Feststellung, dass sie ihm schließlich alles beigebracht hatte, was ein Jäger im Haushalt können musste, und dass er alles in allem seine Sache recht gut gemacht hatte. „Aber...” und dabei erhob sie mahnend den Zeigefinger, „...wenn du wieder zu Hause bist, wirst du mir hoffentlich weiterhin helfen, denn ich bin auch nicht mehr die Jüngste.”„Ja, selbstverständlich, Tana”, brachte der verwirrte Junge nur mit Mühe hervor und knetete dabei nervös den Fellbeutel mit den Kräutern, welche er in ihrem Auftrag gesammelt hatte.
Tana ging auf ihn zu, legte ihm mit einer mütterlichen Geste die rechte Hand auf die Schulter, und nahm ihm dabei mit der anderen Hand ganz beiläufig den Fellbeutel mit den Kräutern aus den Händen. Sie betrachtete ihn voller Stolz und mit ein bisschen Wehmut in den Augen und dachte dabei wie groß er doch geworden war. Mit seinen vierzehn Jahren war er fast schon ein Mann. Jeder Fremde würde ihn für mindestens siebzehn halten. Ragnor besaß einen hochgewachsenen und doch kräftigen Körper, und obwohl er noch nicht ganz ausgewachsen war, überragte er bereits Rurig um eine Handbreit. Das war umso erstaunlicher, da Rurig, für einen Bewohner des Nordkontinents bereits ein überdurchschnittlich großer Mann war.
„Du bist sicherlich überrascht, dass ich dich nicht ausschimpfe - stimmt's?”, stellte sie mit einem Schmunzeln fest und strich dabei mit ihrer von Altersflecken übersäten Hand ihre langen weißen Haare, die nach vorne gefallen waren, wieder zurück. Ragnor hatte als kleines Kind gerne mit ihnen gespielt. Das lange Haar hatte Tanas schmalem Profil, das ihre frühere Schönheit noch erahnen ließ, immer etwas Hoheitsvolles gegeben, eine Ausstrahlung natürlicher Autorität, die der kleine Junge von Anfang an akzeptiert hatte.„Weißt du”, fuhr sie in ihrer Erläuterung fort, „es war manchmal halt auch notwendig, dich zur Ordnung zu rufen, wenn du deine Pflichten vergessen hast und nur ans Spielen oder Träumen dachtest. Aber wie gesagt, du hast deine Sache alles in allem recht gut gemacht und nun geh raus und hole die anderen zum Essen, bevor es noch ganz verkocht.”
Mit diesen Worten wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu und ging zurück an die Feuerstelle auf der in einem großen, kupfernen Topf bereits das Abendessen schmurgelte und einen angenehmen Duft verbreitete.Ragnor drehte sich, immer noch ein wenig verwirrt, um und trat hinaus auf die Veranda. Lars und Menno hatten inzwischen ihre Arbeit beendet und der Alte saß, wie gewohnt, in seinem alten Schaukelstuhl aus dunklem Korbgeflecht. „Was hat dir denn die Grütze verhagelt?”, fragte er belustigt, als er die Verwirrung des Jungen bemerkte.Immer noch etwas irritiert, antwortete Ragnor: „Sie hat mich gar nicht ausgeschimpft wie sonst. Im Gegenteil, sie war sehr freundlich zu mir. Bitte, Lars, kannst du mir das erklären?”„Natürlich kann ich das. Komm mal her”, sagte der Alte.Ragnor trat näher und blickte voll Zuneigung in die blauen Augen und in das vertraute Gesicht mit dem langen, schlohweißen Bart, das er über die Jahre so lieb gewonnen hatte. Lars war für ihn wie ein Vater gewesen, obwohl er nicht sein Vater war. Eine dankbare
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