Am Ende der Angst
erwachte der Morgen. Es war noch dunkel, aber die ersten Vögel zwitscherten. Am östlichen Horizont spannte sich ein schmaler heller Streifen und wuchs langsam immer mehr zur Morgendämmerung an.
Ich verließ die Hütte und rannte zurück zu meinem Motorrad. Niemand schoss mehr auf mich, keiner schien auf mich zu achten.
Ich hatte Angst um Skye. Wenn ich sie noch retten wollte, musste ich mich beeilen. Ich hatte keine Ahnung, wo sie sich aufhielt. Das hieß, ich musste mich beeilen und den ganzen Wald absuchen. Für einen Moment überlegte ich, wen ich um Hilfe bitten konnte, aber außer Samuel fiel mir niemand ein. Doch der wurde bald wieder Vater. Ihn konnte ich nicht in Gefahr bringen. Ich war auf mich allein gestellt.
Verrat
Ich hatte noch zwei Stunden Zeit, bis die Büros in dem Gebäude der Sicherheitsfirma wieder besetzt waren. Erneut kletterte ich durch das bereits erfolgreich benutzte Fenster und ging in die Waffenkammer, wo ich mir dieses Mal alles griff, was Schüsse abgeben konnte. Ich kam mir vor wie Rambo, als ich die kugelsichere Schutzweste anlegte und zusätzlich zu meiner Beretta die MP5 und das Sturmgewehr an mich nahm. Dazu packte ich noch mehrere Magazine für alle drei Waffen ein und drei Handgranaten.
So ausgestattet schnappte ich mir den SUV, hinter dessen getönten Scheiben ich mich sicherer fühlte als auf meinem Motorrad, und fuhr los.
Mein Ziel war die Kanzlei von Dr. Jason Lewis. Es war inzwischen 6 Uhr morgens, die Stadt erwachte langsam, was allerdings nicht für die Kanzlei von Groener, Groener, Weinstein, Lewis und Righetti galt. Dort war außer einer müden Putzkolonne noch niemand anzutreffen. Immerhin kam ich auf die glorreiche Idee, die Auskunft anzurufen und die Privatadresse von Dr. Lewis zu erfragen, so dass mein nächstes Ziel der edle Vorort war, in dem er seine Privatresidenz hatte.
Ich parkte den SUV und stürmte zur Tür. Allerdings nur mit der M9 im Holster. Den Rest ließ ich lieber im Wagen. Ich klingelte Sturm.
Nach einigen Minuten zeigte sich das verschlafene Gesicht einer jungen Frau in der Tür.
»Was wollen Sie? Es ist noch früh am Morgen.«
»Ich möchte mit Ihrem Mann sprechen, Dr. Lewis.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist bei einer Tagung in Washington.«
Tatsächlich?
»Wo genau ist die Tagung? Geben Sie mir die Adresse? Es ist wichtig.«
»Ich habe nur seine Handynummer. Aber die bekommen Sie nicht.« Sie überlegte einen Moment. »Ich glaube, er wohnt im Hyatt.«
»Sie glauben?«
»Er ist ständig auf irgendwelchen Tagungen. Ich merke mir nicht immer, in welchem Hotel er wohnt. Dieses Mal ist es jedenfalls das Hyatt. Was wollen Sie denn von ihm?«
Ich gab ihr keine Antwort, sondern machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück zum Wagen.
Ich war mir sicher, dass der ehrenwerte Dr. Lewis sich nicht in Washington aufhielt. Doch ich wollte sichergehen. Ich rief mit meinem Handy im Hyatt in Washington an und bat darum, mit Dr. Lewis verbunden zu werden. Er logierte dort nicht.
Bingo. Aber wo war er dann?
Ich wollte gerade einen alten Kumpel von der Armee anrufen, der Helikopterrundflüge über New York anbot, und fragen, ob dieser mir helfen könne, den Wald nach meiner Tochter abzusuchen, als mein Handy in meiner Hand vibrierte.
»Hallo?«, meldete ich mich und hoffte fast, eine Männerstimme mit einer Lösegeldforderung zu hören, doch es war Jasmine.
»Alex, ich glaube, ich weiß, wo Skye ist«, sagte sie atemlos.
»Was? Woher weißt du das? Wo ist sie?«
»Ich habe mich noch ein bisschen bei den Nutten umgehört, und da hat eine von einer Party berichtet, die im Wald stattfand. Sie hat mir genau beschrieben, wo.«
Enttäuscht schüttelte ich den Kopf. »In der Hütte war ich schon. Dort war niemand.«
»Keine Hütte! Es soll ein Haus und eine Art Bunker mit einem Keller sein. Ich könnte dich hinführen.«
Ein Bunker? Ein Haus und ein Keller? Dann war ich wohl doch am falschen Ort gewesen.
»Ja bitte, führ mich hin.«
»Hol mich ab.«
Ich legte auf und startete den Wagen. Mit quietschenden Reifen fuhr ich los.
Wir sprachen wenig auf der Fahrt, nur das Nötigste. Mit überraschtem Blick hatte Jasmine die Waffen auf der Rückbank beäugt, doch dann genickt.
»Ich hoffe, du wirst die nicht brauchen«, sagte sie, aber ich antwortete nicht darauf.
Wir schlugen denselben Weg ein, den ich vor wenigen Stunden bereits gefahren war. Doch an einer Kreuzung bogen wir nach Osten ab. Dann führte uns die Straße durch
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