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Am Ende der Angst

Am Ende der Angst

Titel: Am Ende der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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streckte, konnte ich mit den Fingerspitzen die Decke erreichen.
    An der einen Seite befand sich eine Tür. Sie war verriegelt. Ich trat mit den Stiefeln dagegen.
    »Hey! Lasst mich raus! Was soll der ganze Mist! Hey!«
    Niemand reagierte. Ich presste mein Ohr an die Tür. In der Ferne, ganz gedämpft, konnte ich Stimmen hören.
    »Lasst mich hier raus!« Ich donnerte mit den Händen gegen die Holztür. »Die Polizei wird bald hier eintreffen. Sie sind euch schon dicht auf den Fersen!«
    Keine Reaktion. Vermutlich hörten sie mich nicht.
    Doch auf einmal nahm ich ein Flüstern wahr, das aus der Wand zu kommen schien.
    »Ist das wahr? Kommt die Polizei bald?«
    Ich presste mein Ohr an die Wand. »Wer ist da? Bist du das, Skye?«
    Für einen Moment herrschte Schweigen, dann antwortete sie.
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin's, Alex aus dem Obdachlosenheim.«
    »Alex, was machst du hier?«
    »Ich bin der Spur der toten Nutten gefolgt und auf ein paar Hinweise gestoßen. Dann wurde ich hergebracht.«
    »Werden sie uns umbringen?«
    »Das werde ich zu verhindern wissen.«
    Ich klang weitaus zuversichtlicher, als ich mich fühlte. Aber ich wollte, dass sie daran glaubte. Das war wichtig.
    »Seit wann bist du hier?«, fragte ich.
    »Seit gestern, glaube ich. Sie haben mich mit irgendetwas betäubt, so dass ich das Zeitgefühl verloren habe.«
    »Ich bring dich hier raus, das verspreche ich dir.«
    Ich hörte ein feines Kratzen an den Steinen zwischen uns. Staub rieselte auf den Boden.
    »Was machst du?«, fragte ich.
    »Wenn wir uns schon durch die Steine unterhalten können, bedeutet das vielleicht, dass sie locker sind. Hilf mir!«
    Ich begann, mit den Fingern in den Ritzen zwischen den Steinen zu kratzen. Der Mörtel war tatsächlich sehr lose.
    »Geht es?«, fragte Skye von der anderen Seite den Mauer.
    »Ja, sieht so aus. Wenn wir allerdings die Mauer zum Einsturz bringen wollen, brauchen wir ein paar Wochen.«
    »Ob sie uns so lange am Leben lassen?«
    Das war eine gute Frage. »Ich denke nicht«, antwortete ich schließlich. Sie hatten gesagte, sie wollten ihren Spaß mit uns. Das klang nicht, als würden sie uns lange unbehelligt in diesem Kerker lassen. »Ich fühle mich wie der Graf von Monte Christo«, sagte ich.
    Sie kicherte leise. »Warum gerade wir?«, fragte sie schließlich.
    »Vielleicht, weil ich zu viel nachgefragt habe.«
    »Und warum ich? Ich habe doch nichts damit zu tun.«
    Ich zögerte mit der Antwort. Sie war meinetwegen hier. Sie wussten, dass ich alles tun würde, um Skye zu retten. Aber ich wusste nicht, ob ich ihr das sagen sollte.
    »Bist du noch da?«, fragte sie. »Alex, hörst du mich?«
    »Ich höre dich.«
    Vielleicht war das meine letzte Chance, ihr alles zu beichten. Und wenn ich in wenigen Stunden umgebracht wurde, war es auch egal, ob sie mich hasste.
    »Du bist meinetwegen hier.«
    »Wieso?«
    »Sie benutzten dich als Köder, um mich in die Falle zu locken.«
    »Aber woher wussten sie, dass du mich suchen würdest? Und wieso tust du es überhaupt?«
    »Du bist mir wichtig.«
    Sie schwieg einen Moment, auch das Kratzen unterbrach sie. »Ich bin viel jünger als du«, antwortete sie schließlich diplomatisch. Sie dachte das Falsche.
    »Das meine ich nicht. Was hat dir deine Mutter über deinen Vater erzählt?«
    »Dass er ein Feigling war und abgehauen ist, weil er sich einen feuchten Kehricht um mich schert. Wie kommst du jetzt darauf?«
    Sie kratzte wieder den Mörtel raus. Es schien gut zu gehen, denn ich konnte ihre Stimme schon deutlicher hören.
    »Sie hatte Recht. Aber er schert sich doch um dich.«
    »Woher weißt du …« Sie verstummte plötzlich, als würde sie auf einmal begreifen, was ich ihr sagen wollte. Sie war clever. Das Kratzen hörte auf.
    »Du?«, fragte sie schließlich. »Aber ...« Sie stellte ihre Frage nicht zu Ende, doch ich wusste, was sie wissen wollte.
    »Ich bin wirklich abgehauen, weil ich ein Feigling war. Ohne Job, mit dem ich eine Familie hätte ernähren können, hatte ich Angst vor der Verantwortung. Es tut mir sehr leid, dass ich nicht bei dir geblieben bin. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und alles anders machen. Ich wünschte, ich hätte dich bei deinem ersten Schrei im Arm gehalten und deine Windeln gewechselt. Deine ersten Schritte gesehen und dir bei den Hausaufgaben geholfen. Aber wahrscheinlich bist du sowieso klüger als ich. Ich bereue es, das alles verpasst zu haben. Und ich hoffe sehr, ich kann es wieder gutmachen und dir

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