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Am Ende der Angst

Am Ende der Angst

Titel: Am Ende der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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hat mir alles erzählt, was sie wusste. Was ist los mit dir, Alex? Du stellst dich an, als wäre sie dir wichtig. Hast du eine Affäre mit ihr? Wolltest du mich deshalb nicht?«
    Sie zog spöttisch einen Mundwinkel nach oben, doch ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe keine Affäre mit ihr.« Ich zögerte.
    »Aber?«
    »Nichts aber.« Das klang lahm, und Jasmine spürte es.
    »Da ist etwas, was du nicht sagen willst. Welches dunkle Geheimnis trägst du mit dir rum?« Es sollte scherzhaft klingen, aber das war kein Scherz. Ich besaß wirklich ein Geheimnis, allerdings war es nicht dunkel, sondern blond wie ich, trug meine DNS zur Hälfte in sich und hieß Skye.
    »Sie ist … sie ist meine Tochter.«
    Jasmine runzelte ungläubig die Stirn. »Skye hat keinen Vater, hat sie mir mal gesagt. Er sei vor ihrer Geburt abgehauen.«
    »Das bin ich. Ich war damals noch zu jung und der Gedanke, Vater zu sein, hat mich in Panik versetzt. Ich habe ihre Mutter sitzen lassen und bin in die Armee eingetreten. Ich bin nicht stolz darauf, deshalb habe ich ihr nicht gesagt, wer ich bin. Sie weiß es nicht. Niemand weiß es, nicht einmal meine Freundin. Ich habe Skye heimlich ausfindig gemacht, nachdem ich aus der Armee raus und wieder hier war. Es hat ein Weilchen gedauert, denn Ihre Mutter hat geheiratet und wohnt jetzt in Greenfield. Doch Skye kam in ihre Geburtsstadt zurück, um an der Uni zu studieren. Seitdem hänge ich hier im ›Sommerabend‹ rum, um sie zu sehen. Jämmerlich, oder?« Die Worte kamen nur so aus mir herausgesprudelt. Warum war es immer einfacher, Fremden die bittere Wahrheit zu sagen und nicht denen, die einem am nächsten standen? Bei Fremden war es egal, ob sie einen hinterher verachteten oder gar hassten.
    Jasmine sah mich lange wortlos an. Dann sagte sie: »Skye hätte sich sicherlich gefreut, wenn du ihr das gesagt hättest.«
    »Ich bin mir nicht so sicher. Eigentlich denke ich eher, dass sie mich dafür hassen wird, dass ich sie zwanzig Jahre lang im Stich gelassen habe.«
    »Ich denke, sie verzeiht dir. Du warst jung, da machen wir alle Fehler. Geh, such sie. Sag es ihr.« Sie nickte mir aufmunternd zu.
    Mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, dass sich Skye möglicherweise in größter Gefahr befand. Es musste nichts bedeuten, dass sie bei einer Party und noch nicht zurückgekehrt war. Aber in Anbetracht der toten Prostituierten und des erschossenen Mädchens, die vorher ebenfalls alle auf einer Party gewesen waren, machte ich mir die größten Sorgen.
    Jasmine hatte Recht. Ich musste sie suchen.
    Ich stand auf. Es war zwar inzwischen bereits dunkel draußen, aber ich durfte nicht zögern. Allerdings würde das bedeuten, dass ich noch einen Abstecher in meiner Firma machen musste.
     
    ***
     
    Dieses Mal riskierte ich es nicht, vom Pförtner gesehen zu werden, und drückte ein Fenster im Keller ein. Jetzt konnten sie getrost doch Einbruch auf meine Anklageliste setzen.
    Aus der Waffenkammer, die genau genommen nicht nur Waffen, sondern all unsere Geräte für die Überwachung enthielt, nahm ich mir eine neue Pistole, da die Polizei die andere konfisziert hatte, eine Taschenlampe, einen Kompass und ein Nachtsichtgerät. Dann stieg ich durch das Kellerfenster, durch das ich hereingekommen war und das vielleicht auch Tarek neulich benutzt hatte, wieder hinaus.
     
    Die Stadt lag schlafend und still, so dass das Dröhnen meiner Maschine wie Gewehrfeuersalven durch die Nacht hallte. Nur wenige Autos waren unterwegs, und als ich Harrington verließ und auf der Landstraße Richtung Wald fuhr, begegnete mir niemand.
    Ich hatte Mühe, den schmalen Waldweg zu finden, den ich neulich bei Tageslicht gefahren war. Ich verfehlte ihn zuerst und musste kehrtmachen, dann bog ich endlich in den richtigen Weg ein. Dort fuhr ich so weit ich konnte, erst als ich dachte, dass man das Dröhnen des Motors bis zur Hütte hören konnte, stellte ich das Motorrad ab und ging zu Fuß weiter.
    Das Nachtsichtgerät hatte ich aufgesetzt. Es wandelte Infrarotlicht in normales Licht um und besaß einen Restlichtverstärker, was mir mitten in der Nacht im Wald beste Dienste leistete. Es war dennoch nicht leicht, den Weg zu finden, und ich fragte mich, ob ich noch richtig war. Es war so still im Wald, dass kleine Zweige unter meinen Füßen überlaut knackten und Laub bedrohlich raschelte. Ich sah einen Fuchs über den Pfad huschen. In der Ferne hörte ich eine Krähe. Erst als ich den Brombeerbusch erkannte, wusste ich, dass ich

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