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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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möglich.«
    »Warum?«
    »Rancher haben’s nicht gern, wenn man
auf ihrem Vieh landet.«
    »Stimmt. Warum noch?«
    »... Weiß nicht.«
    »Na ja, mal angenommen, Sie haben sich
die Spornradmaschine von Ihrem Freund ausgeborgt. Diese schöne kleine
stoffbespannte Citabria, die ja ein hübsches Sümmchen kostet. Wenn Sie dicht
bei den Kühen da landen und erst mal in aller Ruhe Hilfe holen gehen, haben Sie
vermutlich hinterher eine Tragfläche weniger.«
    »Warum?«
    »Kühe lieben Stoffbespannungen.«
    »Himmel, Ripinsky würde mich
umbringen!«
    »Er würde Ihnen zumindest einen
Denkzettel verpassen. Also, Vollgas und ab nach Hause. Den Sinn der Übung haben
Sie ja wohl kapiert?«
    »Klar: Stets einen Notlandeplatz im
Auge haben.«
    »Ich kann es nicht oft genug sagen:
Notsituationen können eintreten. Sie werden eintreten. Den Notfall immer
mitzudenken kann einem das Leben retten.«

 
     
     
     
    Erster Teil

22./23.
November
     
     

1
    Auf dem städtischen Flugplatz von Los
Alegres zu landen war, wie nach Hause zu kommen.
    Ich nahm Kurs über die Platzmitte,
drehte in den Gegenanflug und drückte die Sprechtaste meines Kopfhörers. »Los
Alegres-Tower, Cessna vier-vier-zwo-fünf-Whiskey im Gegenanflug zur zwo-neun.«
    Die Cessna 150, die ich in Oakland
gemietet hatte, war derselbe Typ wie die Schulmaschine, auf der ich ausgebildet
worden war. Hier in Los Alegres hatte ich das kleine Einmaleins des Fliegens
gelernt. Und irgendwo dort unten stand mit kritischem Blick meine Ex-Fluglehrerin,
Matty Wildress. Lieber würde ich ohne Fallschirm abspringen, als vor ihren
Augen eine holprige Landung hinzulegen.
    Ich betätigte die Vergaservorwärmung,
nahm das Gas weg und fuhr die Klappen noch einen Zahn weiter aus. Als ich in
den Queranflug drehte, hörte ich Mattys Anweisungen: »Geschwindigkeit unter
Kontrolle halten. Auf übrigen Flugverkehr aufpassen. Aufpassen! Noch ein
bißchen mehr Klappen geben. Jetzt in den Endanflug drehen.« Sie hatte immer
behauptet, ihre Worte würden noch Jahre nach der Pilotenprüfung in den Köpfen
ihrer Schüler nachhallen, und ich war der lebende Beweis dafür.
    Im Endanflug jetzt. Volle
Konzentration. Mit Hys Spornradflugzeug war ich vertrauter als mit so einem
Bugradfahrwerk wie diesem, das eine etwas andere Landetechnik erforderte.
    Bitte, beschwor ich mich selbst, nicht
mit dem Notsporn aufschlagen. Das kriegst du bis an dein Lebensende zu hören.
»Gerade ausrichten!« kommandierte Mattys Stimme in meinem Kopf. »Gerade! Nase
hoch! Aufs andere Ende der Landebahn gucken. Aufs andere Ende. Und halten.
Weiter halten. Halten...« Ich hielt die Cessna mit der Nase nach oben, während
sie ausschwebte. Dann setzten die Räder auf, und ich rollte die Landebahn
entlang. Weich und glatt und gerade.
    Wehe, du hast nicht geguckt, Matty.
    Ich entdeckte sie, als ich auf die
Gästeabstellplätze zurollte: Groß und schlank lehnte sie am Zahltisch bei den
Tanksäulen, ihr langes braunes Haar wehte leicht in dem Windzug. Während ich
die Maschine zwischen die Verankerungsblocks manövrierte, kam sie auf mich zu,
die Hände in den Taschen ihrer weiten, blauen Jacke vergraben. Als ich
ausstieg, hakte sie bereits die Heckkette fest.
    »Ordentliche Landung, McCone«, rief
sie. »Wenigstens eine aus meiner Schülerschar, aus der was geworden ist.«
    Ich schnappte mir die rechte Kette und
hakte sie in den Ring an der Tragflächenstrebe. »Ich dachte, Ihre Schüler
werden alle hervorragende Flieger.«
    »Die einen mehr, die anderen weniger.«
Sie spannte die rechte Kette und deutete dann auf das Steingebäude, das die
Betriebseinrichtungen — Flugzeugvermietung, Wartungsdienst und Flugschule — und
den Seven Niner Diner beherbergte, so genannt, weil der Flugplatz
neunundsiebzig Fuß über Meereshöhe lag. »Gehen wir einen Happen essen.«
    Als ich Matty jetzt aus der Nähe sah,
erschrak ich. Ihre Haut sah trotz der Sonnenbräune fahl aus, und unter ihren
grauen Augen waren dunkle Ringe zu sehen; die feinen Linien, die über vierzig
Jahre herzhaften Lachens in ihr Gesicht graviert hatten, wirkten verzerrt, als
habe sie Schmerzen. Ich hatte sie über ein Jahr nicht gesehen, aber selbst für
einen solchen Zeitraum war die Veränderung zu kraß. Irgend etwas stimmte hier
ganz und gar nicht.
    Am Vortag hatte sie mich aus heiterem
Himmel angerufen und behauptet, es sei Zeit für die Nachprüfung, die jeder Pilot
alle zwei Jahre absolvieren muß. Ob ich nicht morgen nachmittag zu diesem Zweck
nach Los

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