Am Ende Der Straße: Roman
»Keine Ahnung. Normalerweise kümmert sich mein Mann um diese Sachen. Ich kenne mich mit Autos überhaupt nicht aus.«
»Tja«, meinte ich und versuchte, etwas Mitleid aufzubringen, obwohl ich mich immer noch total benommen fühlte. »Sieht aus, als würden Sie hier erstmal festsitzen. Sollen wir Sie mitnehmen ins Stadtzentrum? Vielleicht kann Ihr Mann sich den Wagen ja später mal ansehen.«
»Er ist bei der Arbeit. Bob arbeitet in der Kongressbibliothek. Er pendelt jeden Tag nach Washington, deshalb muss er immer sehr früh los. Und ich muss unser Baby zum Arzt bringen. Es hat heute einen Termin. Es schläft hinten drin. Wenn es aufwacht und anfängt zu weinen …«
Sie verstummte. Gleichzeitig hob sie den Arm und wies mit einer hektischen Geste auf den Honda. Hinten drin zeichnete sich tatsächlich schemenhaft ein Kindersitz ab, in dem vermutlich ein Baby lag.
Ich lächelte. »Der Kindersitz passt wahrscheinlich auch auf unsere Rückbank, ich kann es gerne mal versuchen.«
»Nein«, erwiderte sie prompt. »Wir können nicht nach
Hause zurückfahren. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass mein Sohn einen Arzttermin hat. Er ist erst drei Wochen alt, und es hat Probleme beim Stillen gegeben. Wir haben ihn auf Ersatznahrung umgestellt, aber darauf war er allergisch. Jetzt haben sie ihm so ein hypoallergenes Zeug gegeben, aber er verliert immer noch an Gewicht und…« Ihre Stimme brach.
»Madam«, sagte ich sanft, »wo liegt die Arztpraxis?«
»In Verona.«
»Es ist vielleicht keine gute Idee, jetzt dorthin zu fahren. Ich weiß nicht, ob Sie gehört haben, was Feuerwehrchef Peters vorhin gesagt hat, aber es gibt da ein Problem. «
»Das weiß ich«, fauchte sie. »Ich bin nicht blind. Es ist dunkel draußen. Na toll. Haben Sie mir nicht zugehört? Er muss zum Kinderarzt. Wenn er weiter an Gewicht verliert, dann …«
Wieder verstummte sie und warf einen hektischen Blick auf den qualmenden Motor. »Sie haben gesagt, wenn er bis heute nicht zugenommen hat, werden sie ihn ins Krankenhaus einweisen und anfangen, ihn intravenös zu ernähren.«
Ich ging in Gedanken unsere sehr begrenzten Möglichkeiten durch. Die Benommenheit verflüchtigte sich langsam und wurde von überwältigendem Mitgefühl abgelöst. Ich kannte weder diese Frau noch ihr Baby, aber sie brauchten unsere Hilfe. Man musste sie nur ansehen, um zu erkennen, dass sie am Ende ihrer Kräfte war und gleich durchdrehen würde.
Ich wollte gerade etwas sagen, als Christy die Hand
ausstreckte und mein Bein drückte. Ihre Nägel bohrten sich durch die Trainingshose in mein Fleisch. Ich drehte mich zu ihr um.
»Du wirst ihr nicht anbieten, sie nach Verona zu bringen«, flüsterte sie. »Keine Chance, Robbie. Du hast es selbst gesagt. Wir können da nicht raus.«
»Werde ich nicht.«
»Versprochen?«
»Ja. Ich werde ihr nicht anbieten, sie hinzubringen.«
Dann schüttelte ich Christys Hand ab und machte den Motor aus. Als ich ausstieg, wich die Frau ängstlich vor mir zurück. Ich hielt die Hände hoch und versuchte, wieder ein beruhigendes Lächeln aufzusetzen.
»Schon okay. Ich will nur mal einen Blick unter Ihre Motorhaube werfen.«
Christy blieb schmollend im Wagen. Russ stieg aus und stellte sich mit mir vor den Honda. Die Frau beobachtete uns wachsam, aber auch hoffnungsvoll. Ich spähte unter die geöffnete Motorhaube. Russ leuchtete mit der Taschenlampe auf den Motor, während ich ihn untersuchte. Die Luft roch irgendwie süßlich, und von dem Dampf wurde mir fast schlecht. Mein Magen meldete sich erneut, und einen Moment lang glaubte ich, kotzen zu müssen. Um mich abzulenken, konzentrierte ich mich auf das anstehende Problem.
»Da.« Russ leuchtete auf eine bestimmte Stelle. »Siehst du das?«
Der Kühlwasserschlauch war gerissen, und die Kühlflüssigkeit war durch den Riss ausgelaufen und hatte sich im gesamten Motorraum verteilt. Ich wickelte mir mein
Shirt um die Hand und drehte den Verschluss vom Kühler ab. Selbst durch den Stoff war er heiß. Ich zuckte zusammen und legte den Deckel schnell zur Seite. Russ richtete den Strahl der Taschenlampe auf die dunkle Öffnung. Der Kühler war vollkommen trocken.
Russ drehte sich zu der Frau um. »Haben Sie vielleicht Isolierband im Wagen?«
»Ich glaube nicht.«
»Und du, Robbie? Hast du irgendwas im Kofferraum, womit wir diesen Schlauch zumindest vorübergehend reparieren können?«
»Das Einzige in unserem Kofferraum sind eine alte Stranddecke und ein paar Muscheln von unserem
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