Am Ende der Straße
Gesprächs unterstreichen. Das Geräusch kam abrupt und ohne Vorwarnung und verstummte genauso plötzlich wieder. Von unserem Platz aus war es unmöglich zu sagen, woher es gekommen war – bestimmt nicht aus unserem Haus, aber auch nicht von weither. Höchstens ein paar Blocks entfernt.
»Das kann überall passieren«, wiederholte Russ. Er schaltete die Taschenlampe aus und gab sie mir. Dann ging er zu seinem Teleskop.
»Schätze, du hast Recht«, meinte ich. »Es ist nur irgendwie deprimierend. Man sollte meinen, nachdem wir es geschafft haben, einen Mann auf den Mond und einen Roboter auf den Mars zu bringen und das verdammte Internet zu erfinden, wären wir inzwischen ein bisschen weiter entwickelt.«
»Nö. Wir sind Tiere, Robbie. Waren wir immer, und werden wir immer sein. Wenn Delfine opponierbare Daumen hätten, würden sie uns innerhalb kürzester Zeit als dominante Spezies ablösen.«
Das deprimierte mich wieder, also beschloss ich, das Thema zu wechseln. Ich trank noch einen Schluck Tee. Er wurde langsam kalt und der Whiskeygeschmack stärker.
»Also, auch wenn es draußen dunkel ist, ist jetzt technisch gesehen nicht Nacht. Solltest du nicht besser warten, bevor du in die Sterne schaust?«
»Nö. Der einzige Grund, warum man es tagsüber nicht macht, ist das Sonnenlicht. Darüber müssen wir uns jetzt
keine Gedanken machen. Und solange der Strom noch weg ist, sind die Bedingungen perfekt. So gibt es überhaupt keine Lichtverschmutzung. Eigentlich müsste ich jetzt Sterne sehen können, die ich von diesem Dach aus noch nie gesehen habe.«
Ich schaute zum Himmel hinauf. »Ich sehe gar nichts.« »Keine Sorge. Von der Erdoberfläche aus kann man in dunklen, mondlosen Nächten ohne Teleskop oder Fernglas ungefähr dreitausend Sterne sehen. Heute ist die Ausnahme.«
»Das ist eine Untertreibung.«
Er kicherte. »Aber diese Sterne sind immer noch da, auch wenn du sie nicht sehen kannst. Die verschwinden nicht einfach so. Es könnte sein, dass diese Dunkelheit irgendeine Form von dichter, formloser Wolkendecke oder Smog ist. Falls ja, ist dieses Teleskop stark genug, um sie zu durchdringen.«
»Glaubst du wirklich, es ist nur Smog? Nach dem, was wir heute erlebt haben?«
Er zögerte mit seiner Antwort. »Eigentlich nicht, obwohl das erklären würde, warum wir mit bloßem Auge keine Sterne mehr sehen können. Aber mit dem Teleskop werden wir sie sehen. Du würdest nicht glauben, was dieses Ding gekostet hat. Das war alles, was ich nach meiner Scheidung von Olivia behalten habe, abgesehen von meinen Büchern, der Musiksammlung und ein paar Fotos. Es ist mein ganzer Stolz. Wie ich schon sagte, dieses Baby durchdringt sogar Wolkendecken und Ähnliches. «
»Hoffentlich.«
»Es ist nicht so, als würden sich Sterne bewegen oder alle gleichzeitig plötzlich verlöschen. Ganz egal, was passiert ist, Robbie, auf eines kannst du dich verlassen — die Sterne sind noch da.«
Waren sie nicht.
Erstmal sagte Russ gar nichts. Er drehte an dem Teleskop herum, starrte hindurch, verstellte verschiedene Knöpfe. Ich sah ihm zu und wartete geduldig. Ich hatte keine Ahnung von Teleskopen, deshalb dachte ich mir, ich wäre am hilfreichsten, wenn ich die Klappe hielt und nicht im Weg rumstand. Russ’ Haltung wurde immer verkrampfter, und er begann, leise vor sich hin zu murmeln und zu schimpfen. Außerdem atmete er zunehmend hektischer.
»Scheiße«, keuchte er. »Das ist …«
»Was ist los?«
Russ wedelte nur mit der Hand und wurde noch hektischer. Grunzend bückte er sich, hob das Teleskop an und stellte es an eine andere Stelle des Dachs. Wieder starrte er in den schwarzen Himmel und stöhnte.
»Verdammt, Russ, was ist los?«
Ich machte die Taschenlampe an und richtete den Strahl auf sein Gesicht. Er drehte sich mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund zu mir um. Seine Haut war bleich, und er schien unter Schock zu stehen.
»Scheiße, Russ! Bist du okay? Du siehst aus, als hättest du gerade einen Herzinfarkt oder so.«
»Da ist nichts«, flüsterte er.
Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich hatte ein übles Gefühl in der Magengrube.
»Na ja, du hast doch gesagt, die Dunkelheit könnte eine Art Wolkendecke sein.«
»Nein, du verstehst nicht. Ich habe dir erklärt, dass dieses Teleskop solche Sachen durchdringen kann. Das ist nicht irgendein Schrott vom Wal-Mart, Mann. Das ist das Beste vom Besten. Wenn da oben irgendwas wäre, würde ich es sehen — und da ist nichts. Die Sterne sind einfach
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