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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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Jungs. Lasst euch nicht erschießen.«
    Russ grinste. »Wir werden unser Bestes geben.«
    Wir gingen auf die dunkle Straße hinaus. Die Leute standen immer noch um die Feuertonne, aber ihre Aufmerksamkeit war nicht länger auf die zuckenden Flammen gerichtet.
    Sie schauten alle zu Toms Haus und unterhielten sich leise.
    »Hey«, rief ich ihnen zu. »Weiß jemand, was passiert ist?«
    Ein Junge mit Piercings im Gesicht und einem roten
Irokesenschnitt zuckte mit den Schultern. Er wirkte gelangweilt und gereizt.
    »Schuss«, grunzte er.
    »Vielen Dank für deine Hilfe.«
    Falls er den Sarkasmus in meiner Stimme bemerkte, reagierte er nicht darauf. Stattdessen schob er die Hände in die Taschen und wandte sich ab. Ich sah mir seine Haare noch einen Moment lang an. Es war lange her, dass ich das letzte Mal einen solchen Schnitt gesehen hatte. Als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte, scharrte er offenbar beunruhigt mit den Füßen.
    »Gibt’s ein Problem?«
    »Kein Problem«, versicherte ich ihm.
    Russ und ich betraten die Verandatreppe von Toms Haus. Die Stufen quietschten unter unseren Füßen. Die Rollläden waren runtergelassen, kein einziges Fenster gewährte uns Einblicke in irgendeine der Wohnungen. Einer aus der Gruppe rief uns etwas hinterher.
    »Ihr geht da doch jetzt nicht rein, oder?«
    »Doch«, rief Russ zurück. »Das werden wir.«
    »Warum?« Diesmal fragte der Typ mit dem Iro.
    »Vielleicht ist jemand verletzt.«
    »Na und?«
    Ohne weiter auf ihn zu achten, richtete Russ die Taschenlampe auf die Haustür. Sie war zu, aber als wir am Knauf drehten, stellte sich heraus, dass sie nicht abgeschlossen war. Ich überprüfte die Briefkästen in der Eingangshalle und entdeckte den mit dem Namen Salvo. Die Nummer seiner Wohnung stand auf einem Stück vergilbtem Kreppband, das auf den Briefkasten geklebt
war. Wir klopften bei ihm, bekamen aber keine Antwort. Wir versuchten es zwei weitere Male, bevor wir uns dem Türknauf widmeten. Auch diese Tür war nicht verschlossen. Ich schluckte schwer, öffnete sie und ging hinein.
    Als Erstes bemerkte ich den Rauch. Er hing schwer in der Luft, kitzelte im Rachen und ließ meine Augen tränen — ein beißender Geruch. Schießpulver. Russ musste es ebenfalls gerochen haben, denn er zog sich das T-Shirt über die Nase. Dann leuchtete er herum. Im Zimmer war es stockfinster. Schließlich traf der Lichtstrahl auf ein Paar Schuhe. Russ ließ ihn höher wandern.
    Wir keuchten auf.
    Der Großteil von Tom Salvo saß in einem abgewetzten, grünen Sessel. Der Rest von ihm war an der Wand hinter dem Sessel verteilt, tropfte von verstaubten, schiefen Bilderrahmen und lief an der schäbigen weißen Wand hinunter. Von seinem Körper stieg Dampf auf wie Atem in kalter Luft. Ein Teil seiner Haare war verschmort. Der Rest war blutverschmiert. Er hatte sich vollgepisst und -geschissen. Der Gestank, der jetzt durch den Rauch drang, war überwältigend. Auf seinem Schoß lag ein Fotoalbum, zwischen seinen Beinen steckte der Griff eines Jagdgewehrs. Was von seinem Kopf noch übrig war, war ein Stück am Lauf hinuntergerutscht, als hätte er versucht, sich die Waffe bis zum Anschlag reinzuschieben. Das Ende des Laufs ragte aus dem blutigen Loch an seinem Hinterkopf hervor.
    Ich unterdrückte ein Würgen und bedeckte meine Nase mit der Hand.

    »Heilige Scheiße.«
    »Ja«, nickte Russ. »Kennst du ihn?«
    »Nicht wirklich. Wir sind uns heute Morgen begegnet, als das alles angefangen hat. Sein Name ist – war – Tom Salvo. Er hat sich Sorgen gemacht wegen seiner Kinder.«
    »Leben sie hier bei ihm?«
    »Nein, sie leben bei ihrer Mutter. Ich weiß nicht genau wo, aber ich glaube nicht, dass es hier in Walden war.«
    »Weißt du, ob er eine Freundin oder so hatte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Warum?«
    »Weil wir sicherstellen sollten, dass sonst niemand mehr hier ist. Was… was, wenn er denjenigen umbrachte, bevor er sich erschossen hat? Du weißt schon, so eine ›Mord mit anschließendem Selbstmord‹-Kiste.«
    »Kann sein. Ich weiß es nicht. Ich hatte den Eindruck, dass er allein lebt.«
    Kurz überlegte ich, ob ich das Gewehr nehmen sollte, zögerte dann aber. Zum einen war es voller Blut. Zum anderen klammerte sich ein Teil von mir noch immer an die Vorstellung, dass diese ganze Scheiße bald vorbei sein und dann alles wieder normal werden würde. Falls es so kam, wollte ich keinen Tatort zerstören. Doch noch während ich das dachte, wusste ich ganz genau, dass die Cops diesen Vorfall

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