Am Ende der Straße
Informationen hätten, bräuchten wir keine vagen Umschreibungen mehr. Wir haben alle Angst. Es sterben Menschen. Niemand hat das Kommando.«
Eine dicke Frau mit grellroten Haaren hob die Hand. »Ich dachte, Feuerwehrchef Peters hätte das Kommando.«
»Der ist tot«, schrie jemand.
»Übles Pack treibt sich herum«, fuhr ich fort, um die allgemeine Aufmerksamkeit nicht zu verlieren. »Wir haben alle gesehen, was mit den Zigaretten dieses Mannes passiert ist. Peters hat versucht, etwas zu unternehmen, ist aber — für alle, die es noch nicht gehört haben — einem Herzinfarkt erlegen. Alle anderen von der Freiwilligen Feuerwehr haben anscheinend aufgegeben, sind verschwunden
oder… na ja, eigentlich wissen wir nicht, was passiert ist, oder?«
Ein paar Leute nickten. Langsam fühlte ich mich wieder etwas besser. Die Magenkrämpfe hatten aufgehört, und ich schwitzte nicht mehr so stark. Ich entspannte mich ein wenig.
»Wir wissen überhaupt nichts«, rief ein Mann.
Ich zeigte auf ihn. »Ganz genau! Das wollte ich damit sagen. Wir wissen nicht, was mit dem Rest unserer Feuerwehr passiert ist, aber das sollten wir. Wir sollten wesentlich mehr wissen, als es der Fall ist – und zwar über diverse Dinge. Jeder rennt rum und kümmert sich um seine Familie und sich selbst, und das ist auch ganz richtig so – ich habe mich nicht anders verhalten. In den vergangenen Tagen habe ich einige Sachen gemacht, auf die ich nicht gerade stolz bin. Und ich wette, einigen von Ihnen geht es genauso. Das ist okay. Das war zu erwarten. Überlebensinstinkt, richtig? Wenn die Kacke am Dampfen ist, tun wir alles, was zum Überleben nötig ist. Aber wie lange können wir so leben? Wie lange wird es dauern, bis nichts mehr da ist, was man im Laden mitnehmen kann? Wie lange wird es dauern, bis unsere Vorratsschränke leer sind und wir anfangen, uns gegenseitig zu bestehlen? Wenn man sich hier umschaut, sieht es doch ganz so aus, als hätte schon jemand angefangen, in Häuser einzubrechen. Das ist nicht gut. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen versucht haben, die Stadt zu verlassen, aber allem Anschein nach ist das nicht möglich. Wir sitzen hier zusammen fest, und wir müssen uns über einige Dinge klarwerden und anfangen, zusammenzuarbeiten,
bevor alles noch schlimmer wird. Irgendjemand muss vortreten und das Kommando übernehmen.«
Eine Latina in der ersten Reihe fragte: »Und dieser Jemand sind Sie?«
»Nein, ich meine damit nicht mich. Scheiße, ich habe überhaupt keine Ahnung, was man so macht, wenn man das Sagen hat. Aber ich weiß, dass wir anfangen müssen, gründlich nachzudenken. Wir müssen mehr über die Lage herausfinden, in der wir uns befinden. Im Moment wissen wir nur, dass es die ganze Zeit dunkel ist und niemand, der in diese Dunkelheit hinausgegangen ist, zurückgekommen ist, und dass wir nicht mit Hilfe von außen rechnen können.«
»Es wird Hilfe kommen«, widersprach die Frau. »Wir müssen einfach Geduld haben. Es kommt immer Hilfe.«
»Hey, mach dich doch nicht zum Obst.« T kicherte. »Kein Arsch wird kommen, um uns zu retten. Wenn’s so wäre, wär doch inzwischen jemand da. Blickst du’s? Das ist wie da, wo dieser Hurrikan New Orleans plattgemacht hat. Die mussten sich auch irgendwie selbst helfen und so.«
Wieder machte sich ein Raunen in der Menge breit. Während meiner Rede waren noch mehr Passanten dazu gekommen. Jetzt umfasste die Menge ungefähr sechzig Menschen, außerdem hörten einige am geöffneten Fenster ihrer Wohnung oder ihres Hauses zu. Als ich hochschaute, entdeckte ich, dass Christy ebenfalls heimlich lauschte. Sie hielt sich eine Taschenlampe unters Kinn, damit ich ihr Gesicht sehen konnte. Ich winkte ihr kurz zu. Sie lächelte, und ich grinste zurück.
»Vielleicht ist es so«, setzte ich wieder an und versuchte noch einmal, die Aufmerksamkeit der Menge zurückzugewinnen, »aber vielleicht auch nicht. Ich wäre jedenfalls überglücklich, wenn die Nationalgarde in der Stadt einmarschieren würde. Aber bisher ist das nicht passiert, und wir müssen uns auf die Möglichkeit vorbereiten, dass es vielleicht niemals passieren wird. Soweit ich weiß, hat es keinerlei Kontakt mit der Außenwelt gegeben. Oder weiß da jemand mehr als ich? Hat irgendwer von Ihnen etwas von jemandem gehört, der sich außerhalb von Walden befand, als die Dunkelheit kam?«
Sie schüttelten die Köpfe oder schwiegen mit bedrückten Mienen.
»Da sehen Sie’s«, fuhr ich fort. »Ich weiß, dass Sie das
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