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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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Zweifel daran, dass die Dunkelheit ein reales, lebendiges Etwas war. Sie klammerte sich an das Seilstück zwischen Olivia und der Stelle, an der eben noch Mad Mike gewesen war, als wäre es eine Brücke. Und irgendwie war es wahrscheinlich auch eine.
    Olivia rannte auf uns zu. Obwohl ich vor Angst völlig starr war, fiel mir auf, dass sie völlig unbehindert lief. Sie bewegte sich so mühelos, als wäre am anderen Ende des Seils niemand angebunden. Russ, T, Clevon und ich hechteten vor und zogen die immer noch regungslosen Körper von Cranston und Mario hinter uns her. Schluchzend warf sich Olivia in Russ’ Arme und hätte ihn beinahe umgeworfen. Die beiden taumelten herum, bis Russ das Gleichgewicht wiederfand. Clevon
schloss die Augen und fiel keuchend auf die Knie. T und ich standen der Dunkelheit nun allein gegenüber. So nah wie jetzt war ich ihr noch nie gekommen. Die Luft schien hier kälter zu sein. Nicht feucht, einfach nur eisig. T muss das auch aufgefallen sein, denn ich sah, wie er zitterte. Ich legte ihm eine Hand auf die Brust und zeigte nach unten.
    »Egal, was passiert, überschreite niemals dieses Symbol. Das ist das Einzige, was uns jetzt noch am Leben hält.«
    »Schieß«, keuchte er.
    »Was?«
    »Du hast doch gesagt, du und dein Kumpel, ihr hättet Waffen.«
    »Ja …«
    »Na, dann erschießt das Mistding!«
    »Man kann Dunkelheit nicht erschießen. Das würde nicht …«
    Ich brach mitten im Satz ab. Auf die Idee wäre ich nie gekommen, aber wenn die Dunkelheit ein Lebewesen war, war es vielleicht auch möglich, sie zu verwunden – oder vielleicht sogar zu töten? Und wenn es so war, warum sollten Schusswaffen dann nicht funktionieren?
    »Schieß«, drängte T wieder. »Knall das verdammte Ding ab.«
    Zitternd griff ich nach meinem Revolver. Russ reichte Olivia an T weiter und zog ebenfalls seine Waffe. Wir legten gleichzeitig an und schossen in die Dunkelheit. Die Waffe zuckte in meinen Händen. Lichtblitze explodierten aus unseren Läufen und blendeten mich für einen Moment. Die Schüsse waren lauter, als ich es mir vorgestellt
hatte. Meine Ohren dröhnten von dem Lärm, und meine Hände vibrierten.
    »Das nützt nichts«, rief Dez, der plötzlich hinter uns auftauchte. »Kommt zurück. Stellt euch hinter mich.«
    Das Dröhnen in meinen Ohren war so laut, dass Dez seine Worte noch zweimal wiederholen musste. Völlig benommen folgten wir seinem Befehl. Dez sprang vor und stellte sich mitten auf sein seltsames Symbol. Er hatte die Fäuste geballt, und im trüben Licht von Cranstons Taschenlampe (die auf den Boden gefallen war und uns direkt anstrahlte) sah ich, wie grobes Salz zwischen seinen Fingern hervorrieselte.
    » Ia Ishtari, ios daneri, ut nemo descendre fhatagn Shtar!«
    Er schleuderte das Salz aus seinen Händen auf die drohenden Schatten. Die Körner schienen blau aufzuleuchten, als sie durch die Luft flogen. Als sie die Dunkelheit trafen, zog sie sich zurück, als wäre sie schockiert. Die schwarzen Ranken lösten sich auf wie Rauch. Dez schob die Hände in die Manteltaschen und nahm neues Salz heraus. Er wiederholte sein Gebrabbel und warf die nächste Ladung. Die Dunkelheit zog sich nun ganz zurück.
    »Zieht sie raus!«, schrie Russ und schob seine Waffe zurück ins Holster. »Holt sie da raus!«
    Blinzelnd nickte ich und steckte ebenfalls die Waffe weg. Dann packten ich, Russ, Clevon, T und Olivia das Seil und zogen. Es war ganz leicht, weil am anderen Ende kein Gewicht hing. Mir wurde wieder schlecht. Ich hielt den Atem an. T fluchte. Zentimeter für Zentimeter kroch das Seil aus der Dunkelheit hervor. Dampf stieg auf und zog wabernd durch den Strahl der Taschenlampe. Es
war weder zerschnitten noch ausgefranst. Eigentlich sah das Seil aus, als wäre es nagelneu. Die Knoten, mit denen wir es an Drew, Clay, Irish und Stan the Man befestigt hatten, waren noch da – aber die Menschen fehlten. Es gab keine Spur von ihnen. Kein Blut, keine Hautfetzen, keine Kleidungsreste, gar nichts. Nicht einmal ein Haar. Es war, als hätten sie nie existiert.
    »Yo«, wimmerte T und klang dabei viel mehr nach verängstigtem Teenager als nach Gangster. »Wo sind meine Freunde, verdammte Scheiße? Was ist hier los, verdammt nochmal?«
    »Sie sind jetzt ein Teil von ihr«, erklärte Dez. »Deine Freunde existieren nicht mehr. Sie sind jetzt Dunkelheit.«
    »Vergiss es, Mann. Irish! Stan! Ruft einfach, ich komme zu euch. Haltet durch!«
    Er stolperte los, aber wir packten ihn und hielten ihn fest.

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