Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
und erzählt irgendeinen langweiligen Quark aus dem Kindergarten. Martha kann kaum was verstehen, weil Poppy immer noch den Daumen im Mund hat.
An der Straßenecke, wo es nach rechts zu ihrem Haus und nach links in den Park geht, zieht Poppy den Daumen aus dem Mund. «Spielplatz.»
«Willst du nicht lieber einen lustigen Film gucken?»
Poppy schüttelt den Kopf. «Spielplatz.»
«Es regnet gleich», sagt Martha.
«Spielplatz!», wiederholt Poppy und zerrt an Marthas Hand.
Sie laufen die kopfsteingepflasterte Straße hinunter, die in den Park führt. Hier gibt es zwei Spielplätze. Einen großen mit Seilbahn, Riesenrutsche und mehreren Schaukeln, aber zu dem gelangt man nur über eine Brücke, die über die vielbefahrene Bundesallee führt. Poppy zieht Martha zu dem kleineren, der ein wenig versteckt zwischen Büschen und Bäumen liegt.
Dort verschwindet sie sofort in der großen Lokomotive aus Holz. Wenigstens verlangt sie nicht, dass Martha mit ihr in der Sandkiste herumwühlt und alberne Kuchen backt.
Martha setzt sich auf eine Bank, holt eine
Glamour
aus ihrer Schultasche und blättert sie durch. Die Mode interessiert sie nicht, die Sachen sind erstens unbezahlbar und zweitens nur was für Dünne. Sie liest zuerst das Horoskop.
Es gibt jemanden, der Ihnen sehr zugetan ist, sich aber nicht traut, Ihnen seine Gefühle zu gestehen.
Martha muss unwillkürlich lächeln. Miller?
Als Nächstes kommt der Test dran.
Woran erkenne ich, dass er in mich verliebt ist?
Sie zieht einen Bleistift aus dem Rucksack und gibt sich Mühe, die Fragen so ehrlich wie möglich zu beantworten. Die letzte lautet:
Wie reagiert er, wenn Sie ihm zufällig begegnen:
mit Verlegenheit
mit einem lockeren Spruch
mit einem betont gleichgültigen Blick
Martha kaut auf ihrem Stift herum. Eigentlich passen b und c, aber sie darf nur eine Möglichkeit ankreuzen. Sie entscheidet sich für b. Damit hat sie die meisten Punkte in der Kategorie:
Er mag Sie, aber er ist nicht in Sie verliebt
.
Verärgert schlägt sie die Zeitschrift zu. So ein Schwachsinn!
Nun fängt es auch noch an zu regnen.
Sie erhebt sich. «Penelope? Poppy, komm raus!»
Nichts rührt sich. Martha stapft durch den Sand zu der Lokomotive. Sie ist leer. Wo hat sich das Biest nur versteckt? Martha sieht sich um.
Mütter sammeln eilig Buddelzeug und Kinder ein. Von Poppy keine Spur.
Zur Rechten führt ein Trampelpfad durch das Gebüsch und auf die Rückseite vom Klohaus. Ob Poppy auf die Toilette gegangen ist? Sie muss ständig pinkeln. Oft genug macht sie auch in die Hose. Oder ins Bett.
Martha geht um das Klohaus herum. Auf einem Abfalleimer sitzt eine fette Krähe und pickt Teile einer schon schimmeligen Pizza aus einem Karton. Sie guckt kurz hoch und frisst weiter. Martha wird ganz übel bei dem Anblick. Sie reißt die Tür zur Damentoilette auf. «Poppy? Bist du da?»
Die beiden Kabinen sind leer. Plötzlich überfällt sie Panik. Wie lange hat sie die Kleine aus den Augen gelassen? Doch höchstens ein paar Minuten. Sie läuft aus der Toilette und sieht sich verzweifelt um.
Da geht die Tür unter dem Schild
Herren
auf, und ein Mann kommt heraus. Mit Poppy an der Hand!
Martha stürzt auf ihn zu und reißt ihm Poppy weg. «Was haben Sie mit ihr gemacht? Sie Schwein!»
Ein zweites kleines Mädchen erscheint und starrt Martha mit offenem Mund an.
Der Mann hebt abwehrend die Hände. «Nun mal langsam. Meine Tochter musste mal und –»
«Ich auch!», sagt Poppy. «Außerdem ist Flossy in den Sand gefallen. Den musste ich waschen.» Sie steckt ihr den völlig durchweichten Fisch hin.
«Sie können doch nicht einfach ein fremdes Mädchen mit aufs Klo nehmen!», sagt Martha und hält Poppy am Arm fest.
Der Mann sieht Martha mit hochgezogenen Brauen an. «Penelope ist kein fremdes Mädchen, sie geht zusammen mit Leonie in den Kindergarten. Und du warst ja anscheinend zu beschäftigt, um dich um sie zu kümmern.»
Martha antwortet nicht, sie dreht sich um und zerrt Poppy unsanft hinter sich her. «Du darfst nicht einfach mit irgendwelchen Männern mitgehen, hörst du!»
«Aber das ist doch der Papa von Leonie», sagt Poppy und stopft sich den Daumen in den Mund.
«Trotzdem.»
«Papa hat gesagt, ich darf nur nich mit Leuten gehen, die ich nich kenne», nuschelt sie. «Und den Papa von Leonie kenn ich. Wenn einer kommt, den ich nich kenne, und der will mich klauen, schreie ich ganz laut.» Sie nickt bekräftigend mit dem Kopf.
«Schreien kannst du ja auch am
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