Am Ende der Welten - 16
gelegt, musterte ihn seine Mutter prüfend. »Bist du dir da ganz sicher, Richard?« Er nickte. »Endlich fügt sich alles schlüssig ineinander. Dank Euren Hinzufügungen zu der Geschichte passen jetzt endlich alle Einzelheiten zusammen, die zuvor nie ein Bild ergeben wollten. Lothain war ein Spion und ging in den Tod, ohne seine wahre Identität preiszugeben - oder den Umstand, dass er seine eigenen Leute in die Tempel-Truppe eingeschleust hatte. Sie alle starben, ohne dass das wahre Ausmaß des von ihnen angerichteten Schadens jemals ans Licht gekommen wäre. Niemand, nicht einmal Baraccus, war sich des wahren Ausmaßes bewusst.«
Seine Mutter seufzte, den Blick in die Ferne gerichtet. »Das erklärt gewiss einige Lücken in dem, was mir zugeflogen ist.« Sie schaute ihn an, als sehe sie ihn in einem neuen Licht. »Sehr gut, Richard. Wirklich ausgezeichnet.«
Richard fuhr sich mit der Hand über seine müden Augen. Er war nicht besonders stolz darauf, dass er in den düsteren Sumpf der Geschichte hinuntergelangt und solch verabscheuungswürdige Taten ans Licht gefördert hatte, Taten, deren Auswirkungen ihn bis zum heutigen Tag verfolgten.
»Ihr sagtet, Baraccus hätte mir ein Buch hinterlassen?« Sie nickte. »Er gab es seiner Frau zur sicheren Verwahrung mit. Aber bestimmt war es für dich.«
Richard seufzte. »Seid Ihr sicher?«
»Ja.« Behutsam verschränkte seine Mutter die Finger ineinander. »Baraccus hatte diese Schrift noch während seines Aufenthalts im Tempel der Winde mithilfe des dort erlangten Wissens verfasst. Außer seinen eigenen haben nie jemandes Augen darin gelesen, kein Sterblicher hat auch nur den Einband aufgeschlagen, seit Baraccus die Niederschrift beendet und den Einband eigenhändig geschlossen hat. Es hat seit dieser Zeit unberührt in seiner geheimen Bibliothek gelegen.«
Die Vorstellung eines solchen Ortes ließ Richard frösteln. Er hatte keine Ahnung, wo sich eine solche Bibliothek befinden sollte, doch selbst wenn es ihm gelänge, die richtige Bibliothek zu finden, würde ihm das nicht verraten, was er wissen musste. Er vermutete, dass es aussichtslos war, stellte die Frage aber trotzdem. »Habt Ihr eine Ahnung, wie dieses Buch betitelt ist - oder vielleicht, wovon es handelt?«
Seine Mutter nickte ernst. »Es trägt den Titel Geheimnisse der Kraft eines Kriegszauberers.«
»Bei den Gütigen Seelen«, entfuhr es Richard leise, als er zu ihr hochsah.
Die Ellbogen auf die Knie gestützt, ließ er das Gesicht in die Hände sinken. Er war so überwältigt, dass er meinte, das alles gar nicht verkraften zu können. Derselbe Mann, der dafür gesorgt hatte, dass Richard mit subtraktiver Magie geboren worden war, hatte ihm ein Buch mit Anleitungen zu jener Magie hinterlassen, mit der er allem Anschein nach Richard ausgestattet hatte, um besagten Traumwandler zu besiegen. Unfassbar! Und nachdem Baraccus zurückgekehrt war und Selbstmord begangen hatte, hatten die Zauberer jeden weiteren Versuch, in den Tempel zu gelangen, sei es, um dem Ruf der roten Monde zu folgen oder aus einem anderen, gleich wie unwahrscheinlichen Grund, aufgegeben. Sie hatten ihn nie betreten können, um das erst von der Tempeltruppe und anschließend von Lothain angerichtete Unheil wieder zu richten. Allein Baraccus hatte etwas tun können, um der Gefahr entgegenzuwirken.
Sehr wahrscheinlich hatte Baraccus höchstselbst dafür gesorgt, dass niemand sonst in den Tempel der Winde gelangen konnte, vermutlich, um der Gefahr zu entgehen, irgendein anderer Spion könnte seine Bemühungen zunichte machen, die gewährleisten sollten, dass es ein Gegengewicht zu der Gefahr geben würde, nämlich die Geburt Richards.
Richard sah auf. Seine Mutter war nicht mehr da. An ihrer Stelle stand jetzt wieder Shota, die Spitzen ihres Kleides sachte wehend, wie in einer Brise. Es stimmte ihn traurig zu sehen, dass seine Mutter verschwunden war, gleichzeitig aber atmete er auf, denn es war überaus verstörend, sich über den Geist seiner Mutter mit Shota zu unterhalten.
»Diese Bibliothek, zu der Baraccus seine Frau mit den Geheimnissen der Kraft eines Kriegszauberers schickte, wo befindet die sich eigentlich?«
Betrübt schüttelte Shota den Kopf. »Ich fürchte, das weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass es außer Baraccus selbst und seiner Frau, Magda Searus, jemand wusste.«
»Es gibt so viele Bibliotheken; Baraccus’ Privatbibliothek könnte jeder von ihnen angegliedert sein. Habt Ihr denn gar keine Idee, welche in
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