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Am Ende der Welten - 16

Am Ende der Welten - 16

Titel: Am Ende der Welten - 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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Schmerzen zu leiden, über Nacht in ihre alte Eisenkiste gesperrt. Und wie es schmerzte. Die ganze Nacht über in ihrem Eisenkäfig eingesperrt zu sein, die Zunge festgeschraubt in dieser entsetzlichen Schelle, hatte sie fast um den Verstand gebracht. Anfangs hatte sie, nahezu von Sinnen vor Angst, weil sie sich eingesperrt und allein fühlte, außerstande war, sich zu befreien oder wenigstens diesen schmerzhaften Apparat herunterzureißen, stundenlang geschrien. Doch Violet hatte nur hämisch gelacht und eine schwere Decke über die Kiste geworfen, um Rachels Geschrei zu ersticken. Das Greinen und Schreien hatte den Schmerz der Eisenklemme, die ihre Zunge festhielt, nur noch verschlimmert und diese in einen blutigen Klumpen verwandelt.
    Was sie aber letztendlich bewog, ihre Tränen und ihr Geschrei einzustellen, war Violet selbst, die plötzlich ihr Gesicht ganz nah vor das winzige Fenster schob und ihr erklärte, wenn sie nicht still wäre, würde sie Sechs befehlen, ihr die Zunge vollends herauszuschneiden. Ihr war augenblicklich klar gewesen, dass Sechs nicht zögern würde, wenn Violet sie darum bat.
    Also stellte sie ihr Gebrüll ein und hörte auf, Theater zu machen. Stattdessen rollte sie sich in ihrem winzigen eisernen Gefängnis ganz klein zusammen und versuchte, sich die Dinge in Erinnerung zu rufen, die Chase ihr beigebracht hatte. Das war es auch, was sie zu guter Letzt wieder hatte zur Ruhe kommen lassen. Chase hatte ihr nämlich geraten, sich in Gedanken nicht mit ihrer jeweiligen misslichen Lage zu befassen, sondern auf einen Augenblick zu lauern, wenn sie sich daraus befreien konnte. Er hatte ihr beigebracht, das Verhaltensmuster der Menschen zu beobachten und auf einen Moment der Unachtsamkeit zu warten. Und genau das tat sie. Nacht für Nacht lag sie, ohne je ein Auge zuzutun, in ihrer eiser nen Kiste und harrte darauf, dass es endlich Morgen wurde, die Männer sie aus der Kiste zogen und ihr für den Tag diesen scheußlichen Apparat abnahmen.
    Weil ihre Zunge wund und vernarbt war, konnte sie kaum noch Nahrung zu sich nehmen - nicht, dass man ihr viel zu essen gegeben hätte. Jeden Morgen nach dem Abnehmen der Schelle spürte sie mehrere Stunden lang ein schmerzhaftes Pochen in der Zunge. Auch ihre Kieferknochen schmerzten, schließlich hatte der Apparat ihren Mund die ganze Nacht über sperrangelweit offengehalten. Sie hatte Schmerzen beim Essen, und wenn sie sich doch einmal überwand, schmeckte alles nach altem schmutzigem Metall. Da auch das Sprechen wehtat, redete sie nur, wenn sie von Violet etwas gefragt wurde. Die wiederum setzte, sobald sie merkte, dass Rachel das Sprechen bewusst vermied, mitunter ein verächtliches Lächeln auf und nannte sie kleines Stummerchen.
    Ein weiteres Mal in der Gewalt einer so abgrundtief boshaften Person zu sein hatte sie völlig entmutigt, zudem verspürte sie eine nie gekannte Trauer über den Verlust von Chase. Sie schaffte es einfach nicht, die Erinnerung an seine brutale Verwundung aus ihren Gedanken zu verbannen, und grämte sich unendlich seinetwegen. Ihr Kummer, das Elend und das völlige Alleingelassensein erschienen ihr unerträglich. Wenn Violet nicht gerade Zeichenunterricht nahm oder irgendwelche Bediensteten herumkommandierte, sich mit Essen vollstopfte, Geschmeide anprobierte oder sich bei einer Kleideranprobe vergnügte, vertrieb sie sich die Zeit damit, Rachel zu quälen. Um ihre Erinnerung an den Feuerstab aufzufrischen, mit dem sie Violet einst bedroht hatte, packte sie Rachel manchmal am Handgelenk und legte ihr ein winziges weiß glühendes Kohlestück auf den Arm, aber was Violet ihr auch antat, am allerschlimmsten war ihre Trauer um Chase. Jetzt, da Chase nicht mehr war, spielte es fast schon keine Rolle mehr, was mit ihr geschah. Violet hatte offenbar beschlossen, ihr den größten Teil der Schuld am Verlust ihrer Zunge zuzuschreiben, weshalb sie sie für all die Dinge, die Rachel ihr einst angetan hatte, »disziplinieren« müsse, wie sie es nannte. Sie hatte ihr erklärt, es werde wohl eine Weile dauern, bis Rachel es verdient habe, dass man ihr diese schwerwiegenden Vergehen sowie ihre Flucht aus dem Schloss verzieh. Violet be trachtete ihre Flucht als ungehörige Zurückweisung ihrer, wie sie es nannte, »Großzügigkeit« gegenüber einem nichtsnutzigen Waisenkind. Nicht selten ließ sie sich endlos und in aller Ausführlichkeit über all die Mühen aus, die sie selbst und ihre Mutter Rachel zuliebe auf sich geladen hätten, nur

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