Am Ende der Welten - 16
verschleppt?«, fragte Cara mit der ebenso beiläufigen wie bissigen Direktheit, wie nur eine Mord-Sith sie so mühelos aufzubringen vermochte. Die gleiche Frage war auch Richard in den Sinn gekommen.
»Sie waren wohl in dem Glauben, sie sei als Bedienstete abgestellt worden«, erklärte dann Nicci mit sicherer, wissender Stimme. »Da sie so lange nach Beginn des Überfalls noch völlig unbehelligt umherlief, dürften die Soldaten angenommen haben, es müsse einen guten Grund dafür geben, nämlich, dass sie von den Befehlshabern für andere Aufgaben vorgesehen war.«
Jebra nickte. »Genau so war es. Kurz darauf entdeckte mich ein Offizier und zerrte mich in einen Raum voller anderer Soldaten, die sich um mehrere Tische versammelt hatten, auf denen man Karten ausgebreitet hatte. Anders als die meisten Räume war dieser nicht völlig zerstört. Sie wollten wissen, wo ihr Essen bleibe, so als müsste ich das wissen.
Sie sahen nicht minder grimmig aus als all die anderen Soldaten, und zunächst war mir auch gar nicht klar, dass sie die Offiziere waren, wenn nicht die anderen Soldaten, die dort mit irgendwelchen Meldungen ein und aus gingen, ihnen eine gewisse Ehrerbietung gezollt hätten. Einige der Offiziere, sie waren etwas älter und legten ein noch etwas schärferes Auftreten an den Tag, hatten einen noch berechnenderen Blick in den Augen als die gewöhnlichen Soldaten, die stets einen weiten Bogen um sie machten. Als sie mich ansahen, wusste ich, diese Männer erwarteten, dass man ihnen augenblicklich antwortete.
An diesen Hoffnungsschimmer klammerte ich mich - dass ich womöglich überleben könnte, wenn ich mich auf das Spiel einließ. Eine Entschuldigung stammelnd, verneigte ich mich und erklärte ihnen, ich würde mich augenblicklich um das Essen kümmern. Offenbar mehr daran interessiert, etwas zu essen zu bekommen, als Strafen zu verteilen, erklärten sie, ich solle mich gefälligst beeilen. Ich lief zu den Küchen hinüber und versuchte den Anschein zu erwecken, ich hätte einen bestimmten Plan, gleichzeitig bemühte ich mich, nicht meinem Fluchtinstinkt nachzugeben, da ich befürchtete, beim Anblick einer rennenden Frau könnten die Soldaten wie Wölfe reagieren, die ein Kitz aus der Deckung hervorbrechen sahen. In den Küchenräumen drängten sich Hunderte von Menschen, meist ältere Männer und Frauen, von denen ich viele wieder erkannte, da sie lange Zeit die Speisen für den Palast zubereitet hatten. Sogar ein paar jüngere, kräftigere Männer waren darunter; sie wurden für einige der schwereren Handreichungen gebraucht, die für die Küchenjungen und älteren Hilfen zu schwer waren, Handreichungen wie das Hantieren mit den fürs Zerlegen bestimmten toten Tieren oder das Drehen der schweren Spieße. Sie alle schufteten wie von Sinnen inmitten der tosenden Küchenfeuer und dampfenden Kessel, als hinge ihr Leben davon ab, was natürlich durchaus zutraf. Ich wurde kaum bemerkt, als ich die Küchenräume betrat, da alle, von den unterschiedlichsten Tätigkeiten völlig in Anspruch genommen, hektisch Durcheinanderliefen. Da jeder bereits in fieberhafter Hektik schuftete, schnappte ich mir einen großen mit Fleischspeisen Vollgehäuften Servierteller und erbot mich, diesen zu den Offizieren hinaufzubringen. Die Leute in der Küche waren nur zu froh, dass jemand sich bereit erklärte, sich mitten unter die Soldaten zu wagen.
Als ich mit den Speisen zurückkehrte, ließen die Offiziere alles stehen und liegen, sprangen, offensichtlich völlig ausgehungert, von ihren Sofas und Sesseln auf und machten sich mit bloßen, völlig verdreckten Fingern über das Fleisch auf dem Servierteller her. Während ich den schweren Teller auf einem der großen Tische abstellte, blickte einer der Offiziere, einen Fleischbrocken zwischen seinen mahlenden Kiefern, zu mir hoch und fragte mich, wieso ich keinen Ring in meiner Unterlippe trüge. Ich hatte keine Ahnung, wovon er überhaupt sprach …«
»Nun, Sklaven bekommen einen Ring durch die Unterlippe gebohrt«, erklärte Nicci. »Er weist sie als Eigentum ranghoher Soldaten aus und hält gewöhnliche Soldaten davon ab, sie als Beute zu nehmen. Dadurch wird gewährleistet, dass den Kommandeuren für alle niederen Tätigkeiten Bedienstete zur Verfügung stehen.« Jebra nickte. »Der Offizier blaffte einen Befehl. Ein Soldat packte mich und hielt mich fest, während ein anderer vor mich hintrat, meine Unterlippe vorzog und einen Eisenring hindurchstieß.« Nicci starrte
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