Am Ende der Welten - 16
Gelächter und Gejohle die Befreiung aller Unterdrückten und lud die Gefangenen ein, sich in die Schlange einzureihen, um ihre Rache an den gottlosen Menschen zu nehmen, die sie verfolgt und unterjocht hätten. Das Mädchen, dem sie die Knie gebrochen hatten - Elizabeth war ihr Name -, hatte ihr ganzes junges Leben lang noch keinen Menschen unterdrückt; stets war sie mit einem Lächeln auf den Lippen ihrer Arbeit nachgegangen, weil sie so froh war, eine Anstellung im Palast zu haben, und sie in einen jungen Tischlerlehrling verschossen war, der ebenfalls dort arbeitete. Die Gefangenen strömten aus ihren Zellen hervor, nur zu begierig, bei dem grausigen Treiben mitzumachen.«
»Wieso haben sie Euch nicht aus der Zelle gezerrt?«, wollte Richard wissen.
Jebra unterbrach sich, um tief durchzuatmen, ehe sie fortfuhr. »Als meine Zellentür aufgestoßen wurde, drückte ich mich in die dunkelste Ecke meiner Zelle. Es bestand nicht der geringste Zweifel, was mit mir geschehen würde, wenn ich hinausginge oder entdeckt würde. Aber teils wegen der Schreie der Frauen, teils wegen des Gegröles und Gelächters der Soldaten, aber auch wegen des Geschiebes und Gerangels um einen Platz in der Schlange, bekamen die Soldaten irgendwie nicht mit, dass ich mich in der Dunkelheit im hinteren Teil meiner Zelle versteckt hatte. Unten in den Kerkern gab es ja kaum Licht. Offenbar dachten sie, die winzige Zelle sei leer, wie einige der anderen auch, denn niemand machte sich die Mühe, eine Fackel hineinzuhalten und einen Blick hineinzuwerfen - schließlich waren die übrigen Gefangenen ausnahmslos Männer, Verbrecher, die es gar nicht erwarten konnten, endlich freizukommen. Ich hatte nie ein Wort mit ihnen gewechselt, daher wussten sie vermutlich gar nicht, dass eine Frau den Kerker dort unten mit ihnen teilte, sonst wären sie bestimmt hereingekommen und hätten mich geholt. Außerdem waren sie alle … ziemlich beschäftigt.« Jebras Gesicht, von Seelenqualen verzerrt, sank in ihre Hände. »Ich kann Euch nicht einmal ansatzweise schildern, welch grauenhafte Dinge den Frauen nur wenige Schritte von mir entfernt angetan wurden. Es wird mich für den Rest meines Lebens in meinen Albträumen verfolgen. Aber die Vergewaltigung der Frauen war längst nicht alles, worauf diese Kerle aus waren. Ihr eigentlicher Antrieb war das lustvolle Verlangen nach brutaler Gewalt, eine barbarische Begierde, hilflose Menschen zu erniedrigen und ihnen Schmerzen zuzufügen, sie ihre Macht über Leben und Tod spüren zu lassen.
Als die Frauen alle Bemühungen, sich zu wehren, einstellten, zu schreien und schließlich zu atmen aufhörten, beschlossen die Männer, loszuziehen und sich etwas zu essen und zu trinken zu beschaffen, um ihren Triumph zu feiern, und sich anschließend noch ein paar Frauen mehr zu greifen. Wie eine Gruppe bester Freunde an einem freien Tag, so gelobten sie alle feierlich, nicht eher zu ruhen, bis es auf der ganzen Welt keine einzige Frau mehr gebe, an der sie sich nicht vergangen hatten.«
Mit beiden Händen strich Jebra sich die Haare aus dem Gesicht.
»Nachdem sie alle davongeeilt waren, wurde es sehr still und ruhig im Kerker. Obwohl ich unkontrollierbar zitterte und weinte, hielt ich mich auch weiter im Dunkel meiner Zelle verborgen und versuchte, jedes Geräusch zu vermeiden, das mich hätte verraten können. Ständig hatte ich den entsetzlichen Gestank von Blut und anderen Dingen in der Nase. Es ist schon komisch, wie selbst die eigene Nase nach einer Weile dazu neigt, unempfindlich gegen Gerüche zu werden, bei denen einem vorher speiübel geworden war. Trotzdem konnte ich einfach nicht aufhören zu zittern. Jetzt konnte ich auch verstehen, wieso Cyrilla angesichts dieser Misshandlungen den Verstand verloren hatte.
Mein anhaltender Angstzustand hatte mich erschöpft, und doch fand ich keinen Schlaf - ich wagte nicht zu schlafen. Die Nacht zog sich dahin, und schließlich sah ich Licht den Treppenschacht heruntersickern; die Eisentüren waren ja nicht mehr vorhanden, um die Welt oben fernzuhalten. Aber ich traute mich noch immer nicht hinaus, wagte noch immer nicht, mich von der Stelle zu rühren. Den ganzen Tag lang harrte ich aus, wo ich war, bis wieder pechschwarze Nacht die Zelle füllte. Das Wüten und Plündern oben hielt unvermindert an. Was als Schlacht begonnen hatte, war in eine berauschte Siegesfeier umgeschlagen. Auch die Morgendämmerung brachte von oben noch keine Ruhe.
Ich war mir darüber im Klaren, dass
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