Am Ende der Welten - 16
glaubten, in Kürze bevorstehenden Freilassung. Doch nicht lange, und auch sie verstummten, als das Rufen und Schreien in der Ferne über uns immer mehr anschwoll. Stille senkte sich über die finsteren Verliese des Palasts.
Bald darauf konnte man das klirrende Aufeinanderprallen von Waffen hören, die kollektiven Schreie von Soldaten im Kampf auf Leben und Tod, die stetig näher kamen. Unter diese Schreie mischte sich das grauenhafte Kreischen der Verwundeten. Das Gebrüll der Soldaten schwoll immer mehr an, je weiter die Verteidiger zurückgedrängt wurden. Und dann stand der Feind im Palast. Ich hatte ja eine Zeit lang im Palast gelebt und viele der dort lebenden Menschen kennen gelernt, denen jetzt etwas bevorstand, das …« Jebra wischte sich die Tränen von der Wange. »Tut mir leid«, murmelte sie, während sie ein Taschentuch aus ihrem Ärmel zupfte und sich damit die Nase abtupfte. Dann räusperte sie sich und nahm ihren Bericht wieder auf.
»Ich weiß nicht, wie lange die Schlacht tobte, aber irgendwann kam der Moment, da hörte ich das Geräusch eines Rammbocks, der mit großer Wucht gegen die Eisentüren oben gestoßen wurde. Jeder Stoß hallte in den steinernen Mauern wider. Sobald eine Tür nachgegeben hatte, kam das Geräusch näher, wenn die nächste Tür in Angriff genommen wurde, bis schließlich auch diese aufgebrochen war. Und dann ergoss sich plötzlich eine Flut von Soldaten, alle mit Schlachtrufen auf den Lippen, die Treppen herab. Sie trugen Fackeln bei sich, die den winzigen Vorraum draußen vor meiner Zelle in hartes Licht tauchten. Wahrscheinlich waren sie auf der Suche nach der Schatzkammer, nach Beutegut. Stattdessen fanden sie ein verdrecktes Loch freudloser Abgeschiedenheit vor, sodass sie alle wieder die Treppen hinaufhasteten und uns in völliger Dunkelheit und in einem Zustand Herzrasender Angst zurückließen. Ich dachte schon, ich würde sie nie mehr wieder sehen, doch es dauerte gar nicht lange, und die Soldaten kehrten noch einmal zurück. Diesmal schleppten sie verzweifelt kreischende Frauen mit herbei - einige der Bediensteten aus dem Palast. Offenbar wollten die Soldaten mit ihren jüngsten Eroberungen alleine sein, fernab all der anderen Kerle, die sie ihnen einfach entreißen oder sich gar mit ihnen um solch kostbares lebendes Beutegut prügeln könnten. Was dann an meine Ohren drang, bewog mich, mich in den entlegensten Winkel meiner Zelle zu kauern, doch wirklich entziehen konnte ich mich dadurch nicht, denn ich musste das grauenhafte Geschehen noch immer in allen Einzelheiten hören. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was das für Männer sein mussten, die sich von solch schauderhaften Verbrechen, wie sie sie begingen, zu lautem Gelächter und Gejohle anregen ließen. Diese beklagenswerten Frauen hatten niemanden - absolut niemanden -, der ihnen half, keinerlei Hoffnung auf Rettung. Dann riss sich offenbar eine der jüngeren Frauen von dem Kerl, der sie festhielt, los und stürzte in wilder Panik Richtung Treppe. Ich hörte Stimmen rufen, jemand solle sie festhalten. Sie war flink und kräftig, trotzdem bekamen die Männer sie mühelos zu fassen und warfen sie zu Boden. Als ich sie um ihr Leben betteln, mit Tränenerstickter Stimme »Nicht, bitte nicht« wimmern hörte, erkannte ich schließlich ihre Stimme wieder. Während einer der Kerle sie am Boden festhielt, trat ihr ein anderer mit dem Stiefel auf das Knie und bog ihren Fuß nach oben, bis ich ihr Knie mit einem Knacken nachgeben hörte. Unter ihren von Schmerz und Entsetzen erfüllten Schreien wiederholte er die Prozedur bei ihrem anderen Bein. Die Männer johlten nur und meinten, jetzt, da sie wohl kaum noch einmal fortlaufen werde, könne sie sich doch etwas ernsthafter mit ih ren neuen Pflichten befassen. Und dann fielen sie über sie her. Noch nie, in meinem ganzen Leben nicht, habe ich so entsetzliche Schreie gehört.
Ich weiß nicht, wie viele Soldaten in den Kerker hinunterkamen, aber es wurden in ständigem Wechsel mehr und mehr. Stunde um Stunde ging das so. Einige der Frauen weinten und wimmerten die ganze Zeit, während sie vergewaltigt wurden, ein Verhalten, das die Männer nur zu stürmischen Lachsalven aufstachelte. Aber das waren gar keine Männer, das waren Ungeheuer ohne Gewissen oder Selbstbeherrschung.
Einer der Soldaten, er hatte offenbar ein Versteck mit Schlüsseln entdeckt, machte die Runde und schloss die Zellentüren auf. Er stieß die Türen auf, verkündete unter lautem
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