Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Biographien (wie die im Anhang kommentierten Literaturhinweise zeigen). Nicht zu unterschätzen sind auch die Aktivitäten des eifrigen Wallace-Fans George Beccaloni, der sich 1998 für die Wiederherstellung von Wallace’ vernachlässigtem Grab in Broadstone starkzumachen beginnt. Er lernt bei dieser Gelegenheit die Enkel von Alfred kennen und entdeckt, dass sie einen Schatz einmaliger Dokumente und Sammlungen von Wallace haben, den die Erben bereit sind, an eine Institution abzugeben. Im folgenden Jahr rufen George und Janet Beccaloni den Alfred Wallace Memorial Fund ins Leben; und 2002 kauft die Bibliothek des National History Museum in London, in dem Beccaloni als Kurator tätig ist, das Familien-Archiv im Nachlass der Wallace-Erben auf, nach eigenem Bekunden »der wichtigste Ankauf der vergangenen Jahrzehnte«. In dem Archiv finden sich neben Büchern und Sonderdrucken vor allem zahllose Briefe und Manuskripte Wallace’, die nach und nach online zugänglich gemacht werden sollen. Darunter befinden sich auch ein von Wallace annotierter Reprint der Darwin-Wallace-Aufsätze aus dem Jahre 1858, die Korrespondenz mit seinem Freund Bates und sein Originalexemplar der »Origin« mit einem Brief Darwins.
Im Jahre 2006 erhält das Natural History Museum auch die bisher in Wallace’ Privatsammlung verbliebenen Naturalien vor allem aus dem indo-malayischen Archipel, die im Jahr zuvor bei seinen Erben entdeckt wurden (und die beinahe einem Einbruch in deren Haus zum Opfer gefallen wären). Insgesamt werden so 219 Insekten gerettet, darunter Käfer, Wanzen und Stabheuschrecken, die Wallace im Archipel einst persönlich aufgespießt und etikettiert hat. Vernachlässigt auf einem Dachboden, hat ihnen der Fraß durch andere Insekten arg zugesetzt (eine ständige Bedrohung selbst in großen Museumssammlungen); doch konnten sie weitgehend wiederhergestellt werden. Die Privatsammlung war in Vergessenheit geraten, nachdem man annahm, dass Wallace sie bereits um 1870 verkauft habe, um seine Familie zu unterhalten, wie er selbst in seiner Autobiographie »My Life« beschrieb. Offenbar aber hat er doch einige wenige Stücke dieser Privatsammlung behalten, die er am meisten schätzte.
Diese »vergessene« Sammlung Wallace’ ergänzt nun seine Schmetterlings-Sammlung (zusätzlich zu den Tagfaltern auch noch Motten), die sich bereits im Londoner Museum befindet. Insgesamt umfassen sie 24 Schubladen mit 500 Tieren, inklusive einiger Typen der von Wallace beschriebenen Arten. Darunter sind auch zwei Schubladen, in denen Wallace die Schmetterlinge zum einen so arrangiert hat, dass Männchen und Weibchen mit jeweils anderen Farbmustern den Sexualdimorphismus illustrieren, zum anderen die Mimikry genannte Warn- und Tarntracht bei Tagfaltern; zwei Themen, an denen ihm besonders gelegen war und zu denen er wichtige Beiträge lieferte. Heute sind diese Stücke eine Referenzsammlung, die immer dann herangezogen wird, wenn möglicherweise weitere neue und bislang unerkannte Insekten von jenen Inseln beschrieben werden, wo auch Wallace einst sammelte.
Nachdem Wallace’ Enkel Richard im Frühjahr 2006 ein aus 350 Millionen Jahre altem Kalkstein gefertiges Monument im walisischen Usk – nahe jener Kirche von Llanbadoc, in der er 1823 getauft worden ist – eingeweiht hatte, kam Wallace natürlich auch im Darwin-Jahr 2009 vielfach zu Ehren und seine Rolle wurde neu ausgeleuchtet.
Warum Wallace kein zweiter Darwin ist: Wallace ist jener einleitend erwähnte »homme nécessaire« , jene wichtige Figur, mit deren Hilfe wir die damaligen Auseinandersetzungen um die Abstammungstheorie erst vollständig verstehen lernen. Denn einerseits ist Wallace nicht nur einfach der andere Mann, der andere Käfersammler gleichsam als Juniorpartner Darwins, der diesen dazu bringt, endlich mit seiner Theorie an die Öffentlichkeit zu gehen. Andererseits ist er nicht jener Forscher auf Abwegen, der irrigerweise dem Spiritualismus anhängt und politische Überzeugungen öffentlich vertritt.
Zwar sind sich Wallace’ und Darwins Theorien zur Evolution und Selektion verblüffend ähnlich, aber sie sind nicht gleich. Dass sich ihre Auffassungen – nur scheinbar unwesentlich – unterscheiden, ist wichtig. Denn jene Nuancen und Feinheiten vor allem hinsichtlich der Stellung des Menschen beleuchten die zentrale Frage danach, wie wir die Natur sehen. Darwins materialistisch genannte Sichtweise fasst den Menschen als Teil der Natur auf; Wallace wollte uns dagegen eine
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