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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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stickige und vergiftete Luft atmen müssen, und fordert saubere Luft und reines Wasser für jeden Bewohner der britischen Inseln.
    Man kann Wallace also auch als einen Vorläufer der Ökologiebewegung sehen und nicht erst durch dieses letzte seiner programmatischen Bücher. Immer wieder einmal nutzen Vertreter des Natur- und Umweltschutzes heute Wallace’ Texte, in denen sich aus seinen prophetischen Worten Visionen ableiten lassen: »Wir können mit Bestimmtheit vorhersagen, dass der zivilisierte Mensch das wunderbare Gleichgewicht zwischen organischer und anorganischer Natur in einem solchen Ausmaß zerstören wird, dass genau die Wesen verschwinden und letztlich aussterben werden, deren prächtige Formen und Schönheit nur er allein würdigen kann.«
    Ein Baumstamm in Broadstone: Alfred Russel Wallace stirbt im Alter von neunzig Jahren am 7. November 1913 in seinem Haus »Old Orchard«; im Schlaf und um 9:25 Uhr, wie penible Chronisten festhalten. Er war die letzten Monate seines Lebens zusehends schwächer geworden, hat aber die Weltgeschehnisse, neun Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, weiterhin aufmerksam in der Zeitung verfolgt. Drei Tage später wird er auf dem öffentlichen Friedhof im nahen Broadstone beerdigt. Sein Grab ist dort bis heute mit einem ungewöhnlichen Monument markiert, einem beinahe drei Meter hohen versteinerten Baumstamm. Der ist in den nahe gelegenen Kalksteinablagerungen an der Küste Südenglands gefunden und von seiner Familie auf dem Friedhof als Zeichen von Wallace’ Liebe für alles Natürliche aufgestellt worden.
    Anders als Charles Darwin wird Wallace zwar nicht in der Westminster Abbey in London beigesetzt; am 1. November 1915 aber enthüllt man dort eine Gedenktafel zu seinen Ehren, die auf sein Verdienst um die Entdeckung der Evolutionstheorie hinweist. Und anders als Darwins Down House in Kent wird keines von Wallace’ Wohnhäusern in England je zu einem Museum. Das von ihm entworfene und erbaute »Old Orchard« gibt es nicht mehr. Mit seinem Tod enden auch seine Pensionsbezüge. Wallace’ Frau Annie, die krank ist (sie leidet an schwerer Arthritis), muss das Haus verkaufen; sie folgt ihm im Dezember 1914 im Alter von 68 Jahren nach.
    Ein halbes Jahrhundert später, im Jahre 1964, so berichten einschlägige Quellen, wird das Haus in Broadstone von Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht. »Old Orchard« muss einem Hausbauprojekt weichen. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass diejenigen, die heute dort wohnen, nicht mehr wissen, wer Alfred Russel Wallace war, obgleich es noch einen Straßenzug mit seinem Namen gibt. Vielleicht aber antworten sie, danach gefragt, auch: »Natürlich! Das war doch der, der gemeinsam mit diesem Darwin um die Welt gesegelt ist.«
    Ganz so war es nicht, wie wir jetzt wissen.

Der Mann und seine Wirkung
    Was für ein Leben hatte Alfred Russel Wallace! Es war wunderbar reich an Ereignissen und Erlebnissen, an Entdeckungen und Erfolgen. In bescheidene Verhältnisse geboren, mit vierzehn gezwungen, die Schule zu verlassen und zum Landvermesser ausgebildet, begibt er sich mit fünfundzwanzig, von einer Idee getrieben, auf eine abenteuerliche Amazonas-Reise, die ihn bei der Rückkehr auf dem Atlantik beinahe das Leben kostet. Er verliert seine Naturaliensammlung, gewinnt aber Förderer seiner Sache. So macht er sich mit einunddreißig nochmals auf, um für weitere acht Jahre quer durch den großen malayischen Insel-Archipel am Rande der Welt zu wandern und zu sammeln. Dabei entdeckt er eines der Grundprinzipien der Natur und wichtige Faunenzusammenhänge, was seinen Namen für immer in die Annalen der Wissenschaft einschreibt. Nach seiner Rückkehr heiratet der Dreiundvierzigjährige eine junge Frau, mit der er drei Kinder hat und ein langes glückliches und arbeitsreiches Leben verbringt. Als er ein halbes Jahrhundert später stirbt, ist er wohl der bekannteste Naturforscher im England seiner Zeit und einer der berühmtesten der Welt.
    Wie jede Lebensgeschichte ist auch Wallace’ Biographie das Ergebnis des Spiels zufälliger Vorkommnisse und der Verkettung unwahrscheinlichster Zusammentreffen. Nur vom Ende her betrachtet erhält sein Leben eine Art von Zwangsläufigkeit, freilich ohne dass es eine Vorbestimmung gibt oder gar eine Instanz, die das Schicksal oder die Abfolge der Einzelereignisse lenkt. Mit jedem Leben verknüpft und dieses letztlich beherrschend, gehört dazu auch der historische Rahmen, in den sich der Lebenslauf fügt.

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