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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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das Blaue vom Himmel herunterlügen!«
    Offensichtlich hatte er recht gehabt.
    »Auf jeden Fall«, fuhr Evelin fort, »besteht gegen mich kein dringender Tatverdacht mehr. Aber sie haben meinen Paß noch einbehalten. Sie wollen im Moment nicht, daß ich England verlasse. Aber mir geht es schlecht, Jessica, wirklich schlecht. Ich bin so verzweifelt und allein. Das Gefängnis war … die Hölle, ein Alptraum. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich …«
    »Ich habe dir doch gesagt, ich komme. Paß auf, ich werde versuchen, für morgen einen Flug zu buchen, okay? Bis zum Abend bin ich in Stanbury. So lange kannst du durchhalten, ja?«
    Evelin war offenbar psychisch in einem desolaten Zustand, was, wie Jessica fand, nicht ungewöhnlich war, wenn ein Mensch
vier Wochen lang unter Mordverdacht im Gefängnis festgehalten worden war. Sie schien ständig Mühe zu haben, ihre Fassung zu wahren.
    »Ja. Aber sei so schnell wie möglich da. Bitte!«
    Nachdem Jessica dies noch einmal versichert und dann das Gespräch beendet hatte, machte sie ihren Spaziergang mit Barney und dachte, daß sie Evelins Hilferuf wirklich im unpassendsten Moment ereilt hatte. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, Leon zu bitten, an ihrer Stelle zu fliegen, denn schließlich hatte er im Moment nichts zu tun und war der Frau seines toten Freundes mindestens so verpflichtet wie sie. Aber sie wußte, daß Evelin dies als Verrat empfinden würde. Sie wollte jetzt eine Frau an ihrer Seite, keinen Mann, und schon gar keinen wie Leon.
    Als sie zurückkam, hörte sie das Telefon erneut bereits klingeln, als sie an der Haustür war. Diesmal beeilte sie sich.
    Wenn es Leon ist, dann nehme ich das als Zeichen. Dann soll er fliegen.
    Aber wiederum war es nicht Leon. Es war Elena, und sie klang fast genauso aufgelöst wie zuvor Evelin.
    »Jessica, Ricarda ist verschwunden! Ich rufe gerade bei allen Bekannten an. Ist sie vielleicht bei Ihnen?«
    2
    »Mir war völlig klar, daß du einen Rückzieher machen würdest, zumindest mental«, erklärte Lucy. »Aber glücklicherweise kannst du ihn diesmal nicht umsetzen. Du hast Phillip angezeigt. Du …«
    »Ich habe ihn nicht angezeigt«, unterbrach Geraldine, »ich habe lediglich Superintendent Norman angerufen und ihm gesagt, daß Phillips Alibi nicht stimmt. Das ist nicht das gleiche wie anzeigen!«
    »Es läuft aber auf das gleiche hinaus. Phillip wird dir nie verzeihen,
und ich danke Gott, daß es so ist! Lieber Himmel, Geraldine, du kannst diesem Typen doch nicht noch ernsthaft hinterhertrauern! «
    Sie saßen in Geraldines schicker Wohnung in Chelsea, tranken Sekt und hatten die Wohnzimmerfenster weit geöffnet, um die warme Luft des Frühlingsabends hereinströmen zu lassen. Es war ein herrlicher Tag gewesen, schon ganz sommerlich, und Lucy hatte vorgeschlagen, in einem der Parks spazierenzugehen oder hinaus aufs Land zu fahren.
    »Du sitzt seit Donnerstag abend hier in der Wohnung und heulst und grübelst. Das tut dir nicht gut. Laß uns ein bißchen in der Sonne laufen.«
    »Ich gehe nicht hinaus. Schau mich doch an!«
    Von Geraldines langen, glänzenden Haaren waren nur schief abgeschnittene Stoppeln geblieben, die sie noch dazu seit jenem Abend nicht mehr gewaschen oder auch nur gekämmt hatte. Ebensowenig wie sie sich duschte und anzog. Sie trug ein verschwitztes, fleckiges Nachthemd - das bißchen Essen, das sie sich überhaupt zubereitet hatte, schien sie zum größten Teil über den hellen Baumwollstoff verteilt zu haben, so schien es Lucy jedenfalls -, hatte verquollene Augen und eine unschön gerötete, von den vielen Tränen gereizte Haut. Sie hatte Lucy am Tag nach dem Streit - wobei das Wort Streit im Grunde zu klein war für das Ausmaß des Vorkommnisses - angerufen, nachdem sie mit Superintendent Norman telefoniert und ihm alles erzählt hatte. Er hatte sie gebeten, zu einem Londoner Polizeirevier zu gehen - er hatte ihr die Adresse genannt sowie den Namen eines Sergeant dort - und ihre Aussage protokollieren zu lassen. Er werde alles arrangieren, und man werde sie dort erwarten.
    Geraldine, die sich außerstande gesehen hatte, diesen Gang allein zu bewältigen, hatte Lucy zu sich gebeten, die einen Ausruf des Entsetzens nicht hatte unterdrücken können, als sie den verstümmelten Haarschnitt ihres einst am besten vermittelbaren Models gesehen hatte.

    »Um Gottes willen! Was hast du denn gemacht?«
    Es war nicht ganz leicht für Lucy gewesen, die wirre, unter heftigen Tränen hervorgebrachte

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