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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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vergangen seither, und der Schmerz hatte sich um nichts, um gar nichts gemildert. Sie erinnerte sich, daß Tim dagewesen war, als sie aus der Narkose aufwachte.
    »Ich muß auf die Toilette«, waren ihre ersten Worte gewesen, und Tim hatte gesagt: »Nein, Schatz, das bildest du dir ein. Sie haben dir einen Blasenkatheter gelegt. Der drückt wahrscheinlich.«
    Sie hatte fast geweint, weil er ihr nicht glauben wollte. »Bitte. Ich muß so dringend. Bitte, bitte tu etwas.«
    Er hatte eine Schwester geholt, und Evelin hatte sie angefleht, den Katheter zu entfernen, doch sie hatte sich zuerst geweigert, dann aber nachgegeben, als sie begriff, daß Evelin dicht davor stand, hysterisch zu werden. Es war absurd, sie hatte ihr Baby verloren, ihr Leben lag in Trümmern, die Zukunft war nur mehr ein schwarzes Loch ohne Hoffnung, und sie drehte durch wegen eines Blasenkatheters und brachte die halbe Wachstation durcheinander. Als nächstes bestand sie darauf, zur Toilette zu gehen, ein Vorhaben, dem die Schwester nach einiger Diskussion entnervt und zermürbt zustimmte.
    »Aber Sie schließen keinesfalls hinter sich ab«, hatte sie verlangt. »Am besten, Ihr Mann geht mit hinein.«
    Also war sie mit ihrem Bauchschnitt durch das Zimmer gehumpelt, vorbei an den Betten anderer frisch operierter Frauen, die alle taten, was man von ihnen erwartete und friedlich schliefen, den fahrbaren Ständer mit dem Tropf daran hinter sich herziehend, Tim an ihrer Seite, der sie fürsorglich stützte. Sie hätte nie gedacht, daß sie es ertragen könnte, ihn neben sich zu haben, während sie zu pinkeln versuchte, aber plötzlich machte es ihr gar nichts aus, im Gegenteil, er war besorgt, bemüht, fast zärtlich, und später dachte sie manchmal, daß diese Momente auf der Wachstation letztlich zu den besten ihrer Ehe gezählt hatten.
    Natürlich war ihre Blase leer gewesen, sie hatte gar nicht pinkeln können, und darüber hatte sie erneut zu weinen begonnen, während Tim sie ohne Vorwürfe zum Bett zurückgeleitete und ihr vorsichtig half, sich wieder hinzulegen.

    »Was ist mit dem Baby?« fragte sie.
    Er hatte ihr die wirren Haare aus der Stirn gestrichen. »Sie konnten es nicht retten. Es lebt leider nicht mehr.«
    Nachdem er gegangen war, hatte sie keine Sekunde Schlaf mehr gefunden. Sie lag wach und starrte in die von einem Notlicht schwach erhellte Dunkelheit, lauschte den gleichmäßigen Atemzügen der anderen. Regelmäßig erschien die Schwester, um den Blutdruck zu messen, tief erstaunt, Evelin jedesmal hellwach vorzufinden.
    »Sie müßten eigentlich von der Narkose noch ziemlich schläfrig sein. Versuchen Sie doch, sich ein bißchen zu entspannen.«
    Was ihr natürlich nicht gelang. Wie sollte sie das machen - schlafen, wenn sie nicht wußte, wie das Leben weitergehen sollte?
    Das Ende war so jäh und grausam gekommen, daß sie eine Weile gebraucht hatte, den Verlust zu begreifen. Sie entsann sich, daß der Schmerz schlimmer geworden war, je mehr Zeit verging, weit schlimmer, als er in jener Nacht gewesen war. Er hatte sich immer neu entzündet an dem quälend gleichförmigen Alltag, an den endlosen Stunden, die ein Tag brauchte, um zum Abend zu werden, an den unwichtigen, nutzlosen Tätigkeiten, in die sie flüchtete, um zu vergessen, und die doch keine Sekunde des Vergessens brachten. Er entzündete sich an jedem Kinderwagen, den sie in den Straßen sah - und aufgrund irgendeiner bösartigen Fügung schien es plötzlich von Kinderwagen geradezu zu wimmeln -, und an jeder Frau, die mit dickem Babybauch an ihr vorbeiwatschelte. An jedem Gespräch, das Menschen in ihrer Umgebung über ihre Kinder führten, und an jeder Einladung zu einer Taufe, die ins Haus flatterte.
    Und natürlich hatte Tims Fürsorge kaum zwei Tage angehalten, und ihrer beider Beziehung war unmittelbar nach der Tragödie wieder in das Fahrwasser von Quälerei und Verzweiflung geraten.
    Nicht nachdenken! Hör jetzt damit auf!

    Sie schloß energisch die Schranktür, obwohl noch eine ganze Reihe ihrer Schlabberkleider nicht eingepackt waren. Vielleicht sollte sie sich endgültig von ihnen verabschieden, schließlich hatte sie beschlossen, nun endlich zu der schlanken, attraktiven Mittdreißigerin zu werden, die von den Frauenzeitschriften immer als Ideal propagiert wurde. Allerdings gründete sich deren faszinierende Ausstrahlung nicht allein auf ihr gutes Aussehen, sondern natürlich auch auf die Tatsache, daß sie entweder mit Schwung und Kraft eine Familie versorgte

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