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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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verschlimmern konnte. Hatte er jedenfalls die ganze Zeit gedacht. Man erwischte ihn schon wieder dabei, wie er um Stanbury House herumlungerte. Andererseits konnte sich seine Lage womöglich gar nicht verschlimmern. Sie war ohnehin ziemlich aussichtslos.
    Er hatte auf der Veranda gestanden und über den Park geblickt, als er das Auto hatte kommen hören. Die Zeit schien ihm zu knapp, über die offene Fläche des Rasens zu laufen und sich im gegenüberliegenden Wald zu verstecken, und so hatte er einen Satz über die Balustrade gemacht und war die Kellertreppe hinuntergelaufen, an deren Ende eine - natürlich verschlossene - Stahltür ins Haus führte. Es war feucht und kühl hier unten, Moos wuchs in den Mauerritzen, und es herrschte ein modriger Geruch. Mit angehaltenem Atem hatte er eine Weile gewartet, dann war er ein paar Stufen hinaufgestiegen und hatte vorsichtig in den Park gespäht. Er hatte Evelin gesehen, die hinüber in Richtung des Geräteschuppens ging und zwischen Apfelbäumen und Brombeerhecken verschwand. Es wäre für ihn der Moment gewesen, abzuhauen, aber die Neugier hatte ihn getrieben, herauszufinden, was sie dort tat, und so war er ihr gefolgt und hatte sie ächzend und stöhnend mit der Abdeckung der Sickergrube kämpfen sehen. Mit der Faszination, mit der man sich über die Aktivitäten eines seltenen Tiers klarzuwerden versucht, hatte er ihre Bemühungen beobachtet und sich nicht im mindesten vorstellen
können, was sie ausgerechnet an diesem Ort suchte. Daß sie die Sickergrube als Versteck benutzt hatte, wurde ihm jedoch schlagartig klar, als er sah, wie sie die grüne Folie voller Papiere von der Innenseite der Platte löste, wo sie offenbar festgeklebt gewesen war.
    Was, in Teufels Namen, dachte er, sind das für … Dokumente?
    Sie setzte sich ins Gras, las und blätterte, und er schaute auf ihren breiten Rücken, der so wirkte, als sei er zarter angelegt gewesen und nur wegen der Fettrollen unter den Armen und um die Mitte jetzt so stämmig. Irgendwann hatte er sich von ihrem Anblick und all den Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, förmlich losgerissen, hatte lautlos den Rückzug angetreten, in der Absicht, um das Haus herumzulaufen und den Weg zum Dorf einzuschlagen, und hatte plötzlich bemerkt, daß sich jemand durch den Wald der Rückseite des Hauses näherte. Rasch war er wieder in sein Kellerversteck verschwunden, hatte jedoch hervorgespäht und Jessica erkannt, die über den Rasen herankam. Es hatte ihn tief erstaunt, sie hier zu sehen, und es hatte ihn erschreckt, sie so bleich und abgekämpft zu erleben.
    Als er das nächste Mal nachsah, hatte sie unter den Apfelbäumen gesessen und völlig vertieft in den ominösen Papieren gelesen, und Evelin war verschwunden gewesen. Er hatte jedoch nicht gehört, daß der Motor des Autos angelassen worden wäre, und so vermutete er, daß sich Evelin noch irgendwo in der Nähe aufhielt. Ins Haus würde sie kaum gehen - es war noch polizeilich versiegelt, und Evelin war nicht der Typ, der ein vor die Tür gespanntes Markierungsband der Polizei einfach durchbrach -, und es schien ihm recht wahrscheinlich, daß sie vor dem Haus saß und auf Jessica wartete. Was bedeutete, daß er schlechte Karten hatte. Die große freie Wiesenfläche hinüber zum Wald konnte er nur überqueren in der Hoffnung, daß Jessica sich nicht plötzlich umdrehte oder Evelin um das Haus herumkam.
    Wovor habe ich Angst? fragte er sich. Ich gehe ja doch zu den
Bullen. Es kommt für mich nicht mehr darauf an, ob ich entdeckt werde oder nicht.
    Aber er begriff, daß es darum auch gar nicht ging. Nicht darum, noch länger der Fahndung entkommen zu wollen. Es ging ihm darum, von selbst, allein, aus freien Stücken zur Polizei zu gehen. Nicht deshalb, weil Evelin oder Jessica völlig aufgelöst den ermittelnden Beamten anriefen. Denn was hätte er tun sollen? Mit den beiden hier warten, bis der Streifenwagen eintraf? Um dann doch gewissermaßen gestellt worden zu sein, selbst wenn er sich dem nicht zu entziehen versucht hätte? Oder weglaufen? Dann ginge das Drama von neuem los.
    Scheiße! Er fluchte lautlos in sich hinein. Warum hatten die beiden Weiber gerade jetzt hier aufkreuzen müssen? Und was, verdammt noch mal, lasen sie da beide, was fesselte sie derart, daß sie die Zeit vergaßen?
    Er hatte kurz überlegt, Jessica anzusprechen. Sie neigte nicht zur Hysterie. Vielleicht würde er mit ihr reden können. Aber irgend etwas hielt ihn zurück, eine eigentümliche

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