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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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oder Karriere in irgendeinem tollen Beruf machte, oder beides gleichzeitig tat. Bei ihr, Evelin, hingegen haperte es auf der ganzen Linie: Sie hatte weder eine Familie noch einen richtigen Beruf. Sie hatte nicht einmal mehr eine Beziehung.
    Wenigstens hatte sie Geld. In den Kreisen mancher Frauen zählte es durchaus auch als Karriere, reich geschieden oder zur reichen Witwe zu werden. So gesehen war ihr Leben bislang nicht völlig erfolglos verlaufen.
    Sie blickte aus dem Fenster und sah Jessica, die die Auffahrt hinunterging.
    Das war vollkommen gegen die Absprache, und es erstaunte sie. Sie hatten zusammen mit dem Auto zurückfahren wollen. Und selbst wenn Jessica trotz ihrer Leidenschaft, Wege möglichst zu Fuß zurückzulegen, plötzlich umdisponiert hatte, paßte es nicht zu ihr, sich ohne ein Wort einfach auf und davon zu machen.
    Evelin drehte sich um und rannte aus ihrem Zimmer. Sie hatte wirklich ganz schön abgenommen in der Zeit, die sie im Gefängnis gesessen hatte. Sie merkte es daran, wie behende und schnell sie die Treppe hinuntergelangte. Durch die Halle hindurch, hinaus ins Freie. Hitze und Blütenduft und Helligkeit empfingen sie. Eine dicke, pelzige Hummel brummte dicht an ihrem Kopf vorüber.
    Sie würde Jessica einholen.
    Vom Fenster aus hatte sie gesehen, daß sich die Freundin
bei weitem nicht so leichtfüßig bewegte wie sonst. Irgendwie schwerfällig, müde, angestrengt.
    Eine Erinnerung keimte in ihr. Der Abend vor der Tragödie. Die Sitzecke vor dem Kamin im Wohnzimmer. Alexander. Er hatte davon gesprochen, daß …
    Wie hatte sie das nur verdrängen können?
    Sie jammerte leise, weil der Schmerz kaum erträglich war.
     
    Jessica hatte die leise Hoffnung gehegt, Evelin könne den Schlüssel im Auto stecken gelassen haben. Sie war um das Haus herumgegangen und hatte ihr kleines englisches Leihauto vor dem Eingangsportal stehen sehen. Ein kurzer Blick die Hauswand hinauf, aber auch hier vorn schien sich nichts zu regen hinter den Fenstern.
    Das Auto war nicht abgeschlossen, wie sie gleich darauf feststellte. Aber leider fehlte der Schlüssel. Evelin hatte ihn abgezogen.
    In Windeseile - dazwischen immer wieder scharf zur Haustür blickend - durchstöberte sie Handschuhfach, Seitenfächer und die Ablage zwischen den Vordersitzen. Nichts, natürlich. Es bestand die Möglichkeit, daß Evelin den Schlüssel in der Halle auf einem der kleinen Tischchen abgelegt oder sogar ordentlich an das Schlüsselbrett in der Küche gehängt hatte und dann nach oben gegangen war. Kurz erwog Jessica, hineinzuhuschen und nachzusehen. Verwarf diesen Gedanken dann jedoch als äußerst riskant und allzu vage im Ausgang: Evelin hatte nach ihrer Ankunft in Stanbury House ja zunächst Tims Unterlagen aus der Sickergrube geholt. Und dazu den Schlüssel vermutlich in ihre Hosentasche geschoben, wo er mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit noch immer steckte.
    Tims Unterlagen.
    Sie hielt die grüne Folie noch immer in der Hand und entschied, daß sie die Scheußlichkeiten, die Tim mit solcher Wonne ausgebreitet hatte, nicht mehr brauchte und daß sie sich mit
nichts auf dem Fußmarsch zum Dorf belasten sollte. Sie legte die Mappe einfach auf den Beifahrersitz und schloß die Autotür. Jetzt erst wurde ihr bewußt, daß sie sich seit dem Gespräch mit Dr. Wilbert wie in einer Art Trance bewegte, daß aber ihr Herz schneller schlug und ihre Handflächen naß von Schweiß waren. Sie hatte Todesangst, aber es gelang ihr, jeden Anflug von Hysterie im Keim zu ersticken und ihren Verstand eingeschaltet zu lassen. Sie durfte jetzt nichts Unüberlegtes tun.
    Natürlich wäre sie am liebsten losgerannt, aber sie wußte aus Erfahrung, daß allzu hastige Bewegungen manchmal eine Aufmerksamkeit auf sich zogen, die andernfalls nicht geweckt worden wäre. Zudem spürte sie an diesem Tag ihre Schwangerschaft so drückend wie nie zuvor. Es mochte an der Hitze liegen oder an der Aufregung oder an beidem. Der Weg ins Dorf war weit. Sie mußte ihre Kräfte einteilen.
    Mit gelassenen Schritten überquerte sie den gepflasterten Hof vor dem Haus und schlug den Weg ein, der zum Parktor führte. Wenn sie erst außer Sichtweite des Hauses wäre, könnte sie etwas schneller laufen. Wenn nur ihre Beine nicht so geschwollen wären, wenn nicht jede Bewegung begänne, sie in Atemlosigkeit zu stürzen. Wenn es nicht so heiß wäre! Wenn, wenn, wenn … Sie blieb kurz stehen, strich sich die feuchten Haare aus der Stirn. Wenn sie nur einfach

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