Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens
treffen sich oft die Jugendlichen. War aber erst niemand da. So kurz vor Ostern haben sicher die meisten Ferien und fahren auch unter der Woche abends
nach Leeds rüber oder so. War aber nicht schlimm, ich fand‘s schön, mal für mich zu sein. Was mich am meisten nervt, sind ja immer Diane und Sophie. Die sind so zum Kotzen, das kann ich gar nicht ausdrücken. Die sind heute mindestens schon so gräßlich wie ihre Mutter, und das heißt, wenn sie älter werden, überholen sie Patricia glatt noch. Schöne Scheiße!
Und dann kam er!!!
Ich habe ihn zuerst gar nicht bemerkt. Hatte die Augen zu, den Kopf zurückgelehnt, und habe so vor mich hingeträumt. Auf einmal hält ein Auto neben mir, und ich höre die Stimme von Keith.
»He, Kleines«, hat er gesagt. So ein Witz, ich bin echt nicht klein. Schon eins fünfundsiebzig groß, mit fünfzehn Jahren! Aber Keith ist bestimmt eins neunzig, für den ist wohl jeder klein. (Obwohl ich ganz, ganz doll hoffe, daß er keine andere »Kleines« nennt!)
Er sah so was von gut aus! Ziemlich braun gebrannt, und eine sehr schicke Sonnenbrille hatte er auf. Er trug ein Jeanshemd mit aufgekrempelten Ärmeln und eine tolle Uhr am Handgelenk. Er hat unheimlich kräftige Handgelenke, und die sind auch ganz braun. Ich mag seine dunklen, lockigen Haare und seine grünen Augen.
Mir war ganz schwindelig, und ich glaube, ich bin ziemlich rot geworden. »Hallo, Keith«, habe ich gesagt, »wie geht’s dir?«
»Gut. Und dir?«
»Auch. Danke.«
»Steig doch ein«, sagte er, »wir fahren irgendwohin und quatschen ein bißchen.«
Ich hatte wacklige Beine, als ich einstieg. Und ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Keith fuhr los. Ich weiß gar nicht mehr genau, worüber wir alles geredet haben beim Fahren. Ich glaube, ich habe ihm vom Basketball erzählt und davon, wie mich Patricia, Diane und Sophie nerven. Keith hat gelacht, als ich Diane in ihrer affigen Art nachgemacht habe. Und dann hat er gesagt, daß
mein Englisch schon wieder viel besser geworden ist, gar nicht mehr soviel Akzent, und daß ich mich toll ausdrücken kann. Mir ist schon wieder ganz schwindelig geworden. Wenn er wüßte, daß ich wie verrückt Englisch lerne zu Hause! Mein Englischlehrer ist ja auch schon ganz perplex, weil ich mir auf einmal soviel Mühe gebe und so gut geworden bin.
Jedenfalls sind wir aus dem Dorf rausgefahren, ein Stück landeinwärts, bis zu einem verlassenen Gehöft draußen im Hochmoor. Ich war dort vorher noch nie gewesen, aber Keith sagte, das sei ein Platz, an den sei er oft gekommen, als er noch jünger war und zur Schule ging.
»Hier habe ich meine erste Zigarette geraucht«, erzählte er, »und hier kam ich her, wenn ich Krach mit meinen Eltern hatte oder Liebeskummer, oder einfach nur so, um alleine zu sein.«
»Wolltest du auch heute abend hierher?« fragte ich.
»Nein. Ich wollte nach Leeds. Mal sehen, wo was los ist. Aber mit dir ...«, er schaute mich ganz merkwürdig an, »… mit dir wollte ich lieber alleine sein.«
Der Hof ist eine ehemalige Schaffarm, aber der letzte Besitzer ist schon lange tot, und seitdem verfällt alles. Das Haus ist mit Brettern vernagelt, da kann man gar nicht rein, aber es gibt eine Scheune, die ist noch ziemlich in Ordnung. Man konnte sehen, daß Keith öfter herkommt, denn in einer Ecke hat er einen ausrangierten Sessel und ein Sofa stehen, und es stehen ganz viele leere Flaschen da, in deren Hälse er Kerzen gesteckt hat. Ich mußte an die Scheune denken, in der wir im letzten Sommer waren, auf dem Hof von einem Freund, wo uns dann der Vater des Freundes überrascht hat. Der hat ja damals einen Riesenaufstand gemacht, dabei war gar nichts passiert. Wir haben nebeneinander im Heu gelegen, und Keith hat meine Hand gehalten und mir Geschichten erzählt, aber ich weiß, daß es nachher im Dorf hieß, wir hätten »uns im Heu gewälzt«. Zum Glück ist nichts davon an meinen Vater gekommen. Natürlich würde Keith nicht immer nur meine Hand halten und mir Geschichten erzählen wollen,
und deshalb war ich ziemlich nervös. Ich bin noch nie von einem Jungen geküßt worden, und das andere habe ich schon gar nicht gemacht. Keith ist neunzehn und bestimmt unheimlich erfahren.
Wir saßen dann eine Weile nebeneinander auf dem Sofa. Keith hat die Kerzen angezündet, und es war eine ganz romantische Stimmung. Aber es wurde ziemlich kalt, und als er das merkte, legte er den Arm um mich und zog mich ganz eng an sich.
»Du bist anders als andere Mädchen«, sagte
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