Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens
er, »ich bin gern mit dir zusammen.«
Und dann hat er mich geküßt!
Es war ganz toll, es war überhaupt nicht schlimm, wie ich immer gedacht hatte. Seine Lippen waren ganz zart auf meinen, und seine Haut roch so gut, und seine Arme hielten mich ganz fest. Er schmeckte ein bißchen nach Zigarette, und es war der wundervollste, der absolut wundervollste Moment in meinem ganzen bisherigen Leben!!!
»Du zitterst ja«, sagte er, und ich darauf: »Es ist nur ... du bist der erste Junge, der mich küßt.«
Da lachte er und sagte: »Du Baby!« Seine Stimme klang so zärtlich, und ich dachte: Lieber Gott, laß es nie vorbei sein! Laß diesen Moment nie vorbei sein!
O Gott, was habe ich Herzklopfen gehabt!
Dann hatte es Keith auf einmal etwas eilig. »Es wird jetzt zu kalt«, sagte er, »ich fahre dich nach Hause. Es ist sowieso schon nach zehn Uhr.«
Mir war gar nicht mehr kalt, vor lauter Aufregung wahrscheinlich, und das sagte ich ihm, aber er meinte trotzdem, wir sollten gehen.
»Ich möchte nicht«, sagte er, »daß wir irgend etwas tun, wozu du eigentlich noch nicht bereit bist. Und deshalb ist es besser, wenn ich dich nach Hause fahre. Verstehst du?«
Ich stolperte hinter ihm her auf den Hof hinaus. Ich hatte total Angst, daß er mich langweilig oder zu kindlich findet, und ich fürchtete außerdem, er würde mich heimbringen und dann noch
nach Leeds fahren, wo es sicher Mädchen gab, die aufregender waren als ich und nicht zitterten, wenn sie geküßt wurden. Draußen war eine unglaublich schöne Nacht, ein ganz, ganz hoher Himmel ohne Wolken und mit Tausenden von Sternen. Es war kalt, aber es roch so wunderbar nach Frühling, nach Erde und Wiese und Blüten. Ich wußte, daß er mich wieder für ein Baby halten würde, aber ich konnte nicht anders, ich mußte ihn fragen, ob er jetzt noch nach Leeds fahren wollte.
Er lachte und küßte mich auf die Stirn. »Nein. Natürlich nicht. Ich fahre nach Hause, lege mich ins Bett und denke an dich.«
Ich war total glücklich und erleichtert. Ich liebe ihn so sehr! Wenn ich nur irgend jemandem von ihm erzählen könnte!
Im Auto hörten wir Kassetten, ganz romantische Musik von Shania Twain. Keith lenkte nur mit einer Hand, in der anderen hielt er die ganze Zeit über meine. Als wir unten an der Auffahrt zu Stanbury House ankamen, sagte ich, er solle mich hier rauslassen.
»Ich werde sonst nur wieder ausgefragt«, sagte ich. »Besser, ich laufe das letzte Stück.«
»Soll ich mitkommen?«
»Nein. Die sehen uns sonst noch vom Fenster aus.«
Ich wollte gerne mit jemandem über Keith reden, ja, aber ich mochte nicht von meinem Vater verhört oder von Diane und Sophie ausgelacht werden. Ich wollte nicht, daß Patricia spöttische Bemerkungen machte. Und am allerwenigsten hatte ich Bock auf J.s mütterliche Tour, nach dem Motto: Ich bin doch deine beste Freundin!
»Können wir uns morgen wieder treffen?« fragte Keith.
»Klar«, sagte ich, »wann?«
»Mittags? Ich könnte dich um zwölf Uhr abholen.«
Das bedeutete natürlich, daß ich auch morgen nicht zum Mittagessen dasein werde. Ich kann mir jetzt echt jede Menge Ärger ausrechnen, aber es war klar, daß ich Keith deshalb nicht absagen würde. Mein Vater soll sich bloß nicht aufregen! Er will ja
doch am liebsten nur mit J. zusammensein, an mir liegt ihm doch gar nichts mehr. Er versucht nur, mir Streß zu machen, damit es so aussieht, als wäre er besorgt um mich.
»Ich komme hierher«, sagte ich, »morgen um zwölf.«
Er küßte mich wieder zum Abschied, auf den Mund, aber nicht so wie in der Scheune, sondern irgendwie eher freundschaftlich. Ich glaube, er will nicht, daß ich mich bedrängt fühle. Ich stieg aus und lief den Weg hinauf, mir war ganz leicht zumute. Mein Leben ist schön! Die Nacht war immer noch so klar und roch so gut, und alles war voller Narzissen, die silbern glänzten, wenn zwischen den Bäumen ein Streifen Mondlicht auf sie fiel. Ich war so glücklich, ich hätte viele Stunden laufen können, ich war hellwach, und alles um mich herum war wunderbar und etwas ganz Besonderes!
Es war kurz nach halb elf, als ich am Haus ankam. Das Schlafzimmerfenster von meinem Vater und J. war noch erleuchtet. Sonst war alles dunkel, jedenfalls nach vorne zum Hof hin. Ich schloß die Tür auf und trat in die Eingangshalle, und genau in diesem Moment kam Evelin aus der Küche. Sie hatte eines ihrer komischen Hauskleider an, irgend so ein fließendes Seidengewand. Ich glaube, sie hofft, daß sie damit
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