Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
dann überlegte er: Die wußten doch, daß die Todessterne kommen würden, und trotzdem blieben sie da und warteten, bis sie kamen.
    Aber – warum? Warum sollten sie so etwas tun?
    Und auch darauf fand er keine Antwort.
    In Hreshs Visionen gab es einen Ort, an dem vor dem Himmel die ganze Welt abgebildet war. An der Außenwand eines niederen zehnseitigen Gebäudes war eine flache Scheibe aus einem silbrighellen Metall schräg hängend angebracht; und wenn er auf einen Knopf daneben drückte, schoß aus dem Nirgendwo ein Speer von scharfer Helligkeit und traf auf diese Scheibe, und vor seinen Augen erwachte ein gewaltiger Weltglobus zu leuchtendem Leben. Er wußte sofort, daß es sich um die Welt handelte, denn er hatte Abbildungen davon in den Chroniken gesehen. Dort waren die Bilder flach, dies hier war gerundet, aber er wußte trotzdem, daß es die Welt war, denn es stand in den Chroniken, daß die Welt in Wirklichkeit so sei. Hresh hatte aber nie gedacht, daß es solch eine Menge Welt geben könnte. Er konnte ganz um die Kugelwelt herumwandern, und es gab etwas auf allen Seiten. Er sah vier gewaltige durch riesige Meere getrennte Landmassen. Weite ausgedehnte Städte zeigten sich ihm, überzogen von einem Spitzengewebe von Straßen, breit wie Flüsse aus Licht, und Seen und Ströme, und Berge und Ebenen. Und obwohl das alles nur Bilder in der Luft waren, konnte Hresh die brausende starke Brandung der großen Meere fühlen und die Last der Gebirge, und wenn er sich die Darstellung der Städte beschaute, entstand in ihm die Illusion, und er glaubte wirklich, winzige Gestalten in den winzigen Straßenschluchten umherwimmeln zu sehen.
    Eine dieser Landmassen war riesenhaft groß und füllte beinahe das ganze Antlitz der Welt aus. Und wenn er auf die andere Seite des Globus ging, sah er dort zwei weitere Landflächen, eine über der anderen, und die vierte befand sich am unteren Rand der Welt und war ein eisiger Ort, von dem deutlich fühlbare Kälte ausging.
    »Aber wo ist Vengiboneeza?« fragte Hresh, und nahe der linken Kante der oberen Landmasse auf der Globushälfte mit zwei Landmassen blitzte ein scharfgrünes Licht auf.
    »Und Thisthissima?« fragte er. »Mikkomord? Tham?«
    So rasch, wie er weitere Städtenamen aus der Großen Welt aussprechen konnte, blinkten sie als Lichter auf dem Globus auf, der sich zu drehen begann, um sie ihm zu zeigen. Dann aber war sein geringer Vorrat an Namen erschöpft, und er trug dem Ball auf, ihm gleichzeitig alle Städte zu zeigen. Dem Wunsch wurde sogleich Folge geleistet, und es blinkten dermaßen viele Lichtpunkte auf, und die Kugel drehte sich dermaßen rasch, daß er momentan geblendet zurückwich und vor Entsetzen die Hände über die Augen legte. Und als er danach wieder hinzuschauen wagte, war der Weltglobus verschwunden.
    Er unternahm nie wieder einen Versuch, ihn zum zweitenmal heraufzubeschwören. Aber das Bild dieser runden Welt mit ihren weiten Meeren und den kolossalen Landmassen, die überall von den blendenden Lichtern ihrer Myriaden Städte übersät waren, würden ihm nie wieder aus der Erinnerung fallen. Und er begriff nun, wie groß die Große Welt wirklich gewesen war.
    Ein anderes Ding, das ihm die Unermeßlichkeit der verloren gegangenen Welt vor Augen führte, war ein Konstrukt, von dem er annahm, es müsse der Baum des Lebens sein, von welchem Thaggoran zuweilen gesprochen hatte.
    Es war eigentlich kein richtiger Baum, überhaupt nicht, sondern eher so etwas wie ein Tunnel oder eine Anordnung von Tunnels, denn die Struktur lag über viele hundert Schritt waagerecht auf einem offenen parkähnlichen Gelände gebreitet. Der Boden lag unter dem Geländeniveau, und darüber wölbten sich Bogendächer aus einem so vollkommen durchsichtigen Material, daß es schien, als wäre da überhaupt keine Bedachung. Im Zentrum lag eine große Hauptgalerie, von der kleinere Passagen abzweigten und von diesen wieder weitere, noch engere.
    An der Spitze jeder Verzweigung lag eine gerundete Kammer, und in jeder dieser Kammern hauste eine Kleinfamilie von Tieren, eine jegliche anscheinend in ihrer für sie natürlichen Umgebung, denn manche der Kammern waren trocken und wüstenähnlich, andere hingegen feucht und voll saftigen Laubwuchses. Man konnte durch diesen Baum des Lebens von einem Ast zum nächsten wandern, ohne die dort wohnenden Geschöpfe im geringsten zu stören.
    Als der Stamm über die großen Ebenen zog, hatte Hresh derartige Tiere nicht gesehen. Doch sie

Weitere Kostenlose Bücher