Am Ende des Winters
siebenmal hunderttausend Jahren unter dem Niedersturz der Todessterne gestorben war, sondern war vielmehr nur in irgendeine Projektion verstrickt, ein Faksimile, einen Abklatsch, der zwar höchst lebensecht wirkte, es jedoch nicht war, und der ihn in sich hineinsaugte, als wäre er, Hresh, wirklich auf einer Wanderung durch die gewaltige Stadt.
Besonders deutlich wurde dies, weil er sich natürlich in seiner gewohnten Art und Weise in die Gespräche mit den Bewohnern stürzte: voller Fragen. Aber irgendwie entbehrten die Antworten, die er erhielt, der Substanz. Zwar schienen sie etwas zu bedeuten und auszusagen, doch schien sich dieser Sinn jedesmal zu nichts zu verflüchtigen, wenn er die Antworten in seinem Geist aufzunehmen versuchte; es war wie eine Speise, die man bei einem Traum-Festmahl genießt. Hresh erfuhr überhaupt nichts von denen, die er auf den Straßen des versunkenen Vengiboneeza traf und befragte. Alles war wahrhaftig verloren und versunken und dahin, unzugänglich gemacht für ihn durch die grausame Hürde der Zeit.
Dennoch, was er sah, war atemberaubend, und er reifte daran und wurde reicher – und auch von großer Ehrfurcht erfüllt gegenüber der vergangenen Größe und Pracht.
Die Saphiräugigen tauchten anscheinend im alten Vengiboneeza auf und verschwanden wieder, wie es ihnen beliebte, sie waren da und wieder fort, und das mit verblüffender Geläufigkeit. Pop – da waren sie, und pop, schon waren sie wieder verschwunden.
Für ihre außerstädtischen Reisen besaßen sie ein weiteres Wunderding: Himmelskarossen wie schimmernde rosig-goldene Blasen, die lautlos zu Boden sanken und aus sich wie durch Zauber an den Flanken öffnende Schleusen ihre Fahrgäste entließen. Hresh sah Hunderte solcher Blasenballons droben in der Luft lautlos und rasch dahinreisen. Nie stießen sie gegeneinander, auch wenn sie manchmal sehr dicht zusammenzukommen schienen. Und im Innern saßen die Saphiräugigen, gemächlich und gelassen.
Ein drittes Mittel der Ortsveränderung – sofern es sich dabei um so etwas handelte – bestand in rätselhaften Vorrichtungen, die auf kleinen glatten Plattformen aus grünem Stein montiert waren. Es handelte sich dabei um schmale vertikale Röhren aus dunklem Metall, etwa so lang wie ein voll ausgewachsener Mann, die sich am oberen Ende zu haubenbedeckten glatten Kugeln weiteten, die nicht größer waren als der Kopf eines Menschen. Ein seltsam heftiges Licht, blau und rot und grün, spielte um die Öffnungen an diesen Kugeln, als entströmte es irgendeinem hochenergetischen Apparat in ihrem Innern.
Ab und zu näherte sich einer der Saphiräugigen mit noch gelasseneren und ruhigeren Bewegungen als gewöhnlich einem der Podeste, auf denen diese Apparate standen. Gewöhnlich begleiteten ihn dabei andere Angehörige seiner Art fast körpernah, manchmal sogar, indem sie ihre kleinen Unterarme ihm auf den massiven Leib legten. Aber immer wichen dann diese begleitenden Saphiräugigen zurück und ließen den Abreisenden allein auf die Plattform steigen. Und der schob sich nahe an die Kugel an der Spitze der Röhre heran, bis sein gewaltiges Kinnbackengesicht vom Licht, das aus ihrem Innern kam, hell leuchtete; und dann wurde das Geschöpf plötzlich ins Innere der Kugel gesogen. Hresh sah nie genau, auf welche Weise dies vor sich ging, und er begriff auch nicht, wie da Platz sein sollte für den gewaltigen Körper der Saphiräugigen in solch einer kleinen glühenden Kugel. Es gelang ihm auch nie, den Moment des Übergangs zu erfassen, den Augenblick, in dem der Saphiräugige, der in die Kugel starrte, hineingesogen wurde und dem Blick entschwand.
Doch wohin immer die Reise der Saphiräugigen auch führen mochte, es war offensichtlich eine Reise ohne Wiederkehr: viele gingen in die Kugelgebilde an der Spitze der Tubus ein, doch Hresh sah niemals einen dort herauskommen.
Wie es schien, war keiner dieser Apparate in das moderne Vengiboneeza herübergerettet worden. Hresh schaute sie ausschließlich bei seinen Visionstouren. Im real-existenten Ruinenhaufen der Stadt vermochte er nicht einmal Reste oder Spuren dieser grünen steinernen Plattformen auszumachen, auf denen diese Röhrenkonstruktionen montiert gewesen waren.
Nachdem er aber viele Male das Ritual der Haubenkugeln beobachtet hatte, entschied Hresh sich endlich, es selbst einmal in Augenschein zu nehmen. In einer mondlosen Nacht betrat sein träumender Geist einen verlassenen weiten Platz. Nahebei stand ein Baum, dessen
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