Am Ende des Winters
Flammensaatpflanzen, als Torlyri zu ihr trat und sagte: »Ich bin auf der Suche nach Hresh. Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?«
Minbain lachte. »Oh, vielleicht ist er grad auf dem Mond. Oder er schwimmt von einem Stern zum ändern. Wer weiß denn schon, wohin sich Hresh aufmacht? Ich jedenfalls weiß es nicht, Torlyri.«
»Also, vermutlich wandert er wieder in den Ruinen herum.«
»Wahrscheinlich. Ich habe ihn seit zwei, drei Tagen nicht mehr zu sehen bekommen.« Schon lange hatte Minbain damit aufgehört, Hresh als ein Kind ihres Leibes zu betrachten. Er war ein Wesen außerhalb ihres Begriffshorizontes, etwas so Rasches und Seltsames und Unvorhersehbares wie ein Wetterleuchten oder ein Blitz. Sie richtete ihr Augenmerk wieder auf das Pflanzbeet. Aber nach einer Weile blickte sie wieder auf und fragte: »Du hast nicht etwa zufällig Harruel irgendwo gesehen? Der ist mir nämlich auch schon seit einer ganzen Weile nicht mehr unter die Augen gekommen.«
»Ist er nicht die meiste Zeit auf Patrouille droben in den Bergen?«
»Viel zu viel Zeit«, sagte Minbain. »Wenn ich ihn mal in einer von fünf Nächten im Haus habe, ist das schon ‘ne Sensation. In dem Kerl braut sich was Ungutes zusammen.«
»Soll ich mal mit ihm reden? Wenn ich ihm auf irgendeine Art helfen kann…«
»Paß bloß auf, wenn du das versuchst! In letzter Zeit jagt er mir Angst ein. Zorn kocht in ihm hoch, wenn man es am wenigsten erwartet. Und noch merkwürdigere Sachen. Er stöhnt im Schlaf, schlägt um sich, ruft die Götter an. Also, ich will dir mal eins sagen Torlyri, er macht mir Angst. Aber trotzdem wäre es mir schon lieber, er würde seine Nächte häufiger daheim verbringen.« Und mit einem schiefen Lächeln fügte sie hinzu: »Es gibt da ein paar Dinge an ihm, die ich stark vermisse.«
»Ich kann mir, glaube ich, vorstellen, was du meinst«, sagte Torlyri und lächelte gleichfalls.
»Wozu brauchst du denn Hresh? Hat er schon wieder was angestellt?«
»Nein, sein Tvinnr-Tag ist fällig«, sagte Torlyri.
»Sein Tvinnr-Tag?« Minbain blickte überrascht auf. »Wer hätte an so was gedacht! Jetzt ist der auch schon alt genug! Wir rasch die Zeit vergeht! Und mir ist überhaupt nichts aufgefallen.« Und dann schüttelte sie den Kopf. »Ach, Torlyri, Torlyri, wenn der Hresh nun schon alt genug fürs Tvinnr ist, wie alt muß dann ich inzwischen sein!«
»Da mach dir mal keine Sorgen, Minbain. Man sieht dir dein Alter wirklich nicht an.«
»Dafür sei Yissou Lob und Preis.«
Und wieder wandte Minbain sich ihrer Arbeit zu.
Torlyri sprach: »Sollte ich zufällig Harruel über den Weg laufen, dann werde ich ihm sagen, daß du ihn gern hin und wieder mal zu Gesicht bekommen möchtest.«
»Und ich tu das gleiche, falls ich über Hresh stolpern sollte.«
Die Wunde, die ihm bei der Besichtigung des Lebensbaumes geschlagen worden war, brauchte lange, um zu heilen. Hresh schwor sich, er werde nie wieder in den Keller der Sechsunddreißig Türme hinabsteigen und er werde nie wieder eine Reise in das lebendige Vengiboneeza unternehmen. Doch je mehr Tage vergingen, desto stärker machte sich seine angeborene Neugier wieder bemerkbar, und er begriff, daß er seinen Schwur nicht lange würde halten können, aber er schwor sich feierlich, sollte er ein zweites Mal auf den Baum des Lebens stoßen, er würde keinen Fuß hineinsetzen. Es verlangte ihn nicht im geringsten danach, diesen Ort jemals wiederzusehen, in dem seine Vorfahren eingepfercht hockten wie wilde Tiere, zum Ergötzen und zur Belehrung zivilisierter Wesen.
Als er aber dann tatsächlich dorthin zurückkehrte, entdeckte er keine Spur von dem Ort, wo der Baum des Lebens sich befunden hatte. Erneut war die Stadt stark verändert, und an Bauten, die er von früheren Besuchen in Erinnerung hatte, waren da nur noch die Zitadelle und eine Handvoll anderer noch übrig. Er empfand deswegen eine große Erleichterung, denn er argwöhnte, wenn er wieder auf den Baum des Lebens gestoßen wäre, er wäre doch wieder hineingegangen, trotz seines Schwurs, trotz allem.
»Ach, da bist du ja endlich«, sagte Torlyri. »Ich such dich schon den ganzen Morgen überall!«
Hresh kam verdreckt und zerzaust über den gebogenen Boulevard vom Emakkis-Boldirinthe-Viertel zum Nordteil der Stadt auf sie zugeschlendert. Auf seinem Gesicht lag der ferne abwesende Ausdruck eines Menschen, der sich halb hier und halb in einer anderen Welt befindet.
Er kehrte sich Torlyri zu, als habe er nicht die
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