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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Äste sich unter der Last riesenhafter keilförmiger brauner Nüsse bogen, von denen jede größer war als die Spannweite seiner beiden Hände. Er türmte diese Nüsse übereinander, zu einem Haufen, der hoch genug war, ihm von der Spitze den Blick in die Kugelöffnung zu erlauben. Das war ein ziemlich schwieriges Unternehmen. Die kantenglatt gestapelten Nüsse rutschten und glitten nämlich immer wieder unter ihm weg, und er mußte sich an der Kugelhaube festhalten, um nicht zu stürzen. Und so klammerte er sich fest und schob den Kopf dicht an die Öffnung heran.
    Gewiß wußte er, daß damit eine Gefahr verbunden war. Er konnte hineingezogen und fortgetragen werden – wohin? In eine andere Welt? Zur Heimstatt der Götter? Und natürlich war auch seine gänzliche Vernichtung möglich, denn mehr und mehr hatte sich in ihm der Verdacht bestärkt, daß die Saphiräugigen diese Gerätschaften dazu benutzten, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn ihr Todestag für sie endlich gekommen war. Doch die Versuchung, einmal einen Blick in solch ein Ding zu werfen, war unwiderstehlich. Und außerdem, redete er sich vor, ist das Ganze ja bloß eine Vision. Wie sollte ihm ein Apparat, den es in seiner Realität überhaupt nicht gab, der mindestens siebenmal hunderttausend Jahre vor seiner Geburt zu existieren aufgehört hatte, irgendwie schaden können?
    Ja, aber wenn da gar niemand wirklich lebt, meldete sich in seinem Innern eine Stimme, wie ist es dann möglich, daß diese ganzen großen Nüsse von dem Baum gepflückt und da so aufgestapelt werden?
    Hresh wischte diesen Einwand beiseite. Er schaute ins Innere dieser Kapsel.
    Im Kern befand sich etwas Seltsames: ein Bereich von äußerster Schwärze, also schon wirklich dermaßen schwarz, daß davon eine Art Lichtstrahlung ausging, die das Licht überstrahlte. Verwirrt starrte er darauf und wußte plötzlich, daß ihm Einblick nicht nur in eine andere Welt, sondern in ein völlig fremdes Universum gewährt werde, einen Bereich, ganz und gar jenseits der Machtsphäre der Götter. Zwar war dieser Schwärzebereich sehr klein – Hresh meinte, er könne ihn leicht in einer Hand einfangen –, aber es wohnte ihm eine große Energie inne. Sie haben kleine Bruchteile dieses fremden Universums eingefangen, überlegte er sich, und sie in diesen runden Metallbehältnissen gespeichert; und wenn sie aus dem Machtbereich der Götter fortzureisen gedenken, dann gehen sie zu einem von diesen Behältnissen, und die Schwärze dort schaufelt sie in sich hinein und transportiert sie davon.
    Ruhig und unbeirrt wartete er, daß auch er fortgebracht werde. Er war völlig im Bann dieser Maschinerie. Mochte sie ihn also hintragen, wohin sie wollte.
    Aber er gelangte nirgendwohin. Er starrte das Ding an, bis ihm die Augen weh taten; und dann tauchten zwei Gestalten aus dem Schatten auf – ein Saphiräugiger und ein Vegetalischer – und winkten ihm zu.
    »Du, geh da weg!« flüsterte der Vegetalische mit einer irgendwie raschelnden Stimme. »Da lauert Gefahr, du Kleiner.«
    »Gefahr? Wo denn? Ich kann doch meine Hand einfach so reinstecken – und es passiert nichts.«
    »Geh dennoch weg von dort!«
    »Also, schön, ich geh hier weg, wenn du mir erklärst, worum es sich da handelt.«
    Das Vegetalgeschöpf legte keusch seine Petalblätter zusammen; der Saphiräugige stieß sein zischelnd-höhnisches Kichern aus. Dann erläuterten sie ihm den Apparat, wobei sie beide gleichzeitig redeten, aber er begriff völlig, was sie zu ihm sagten, jedenfalls so lange, wie sie zu ihm sprachen. Und das verwirrte und verwunderte ihn über alle Maßen; aber es war wie alles übrige, was er während seiner Besuche in der Großen Welt aufnahm, es war ebenso substanzlos und unbefriedigend wie Traumspeise, und wenn da den Sprüchen vielleicht im ersten Augenblick, in dem sie gesprochen wurden, ein Sinn anhaftete, so entglitt er ihm doch sogleich wieder, so sehr er sich auch mühte, ihn festzuhalten.
    Er trat von dem Podest herunter, und sie führten ihn zu einem Ort voller Lichter und Gesang. Aber alles, woran er sich hinterher zu erinnern vermochte, war eine von ihm getroffene Schlußfolgerung, nicht aber irgend etwas, das sie ihm erläutert hatten. Und das ging etwa dahin, daß mittels dieser Apparaturen die Bewohner der Großen Welt ihr Leben zu beenden pflegten, wenn sie erkannten, daß ihre Zeit zum Sterben gekommen war.
    Aber wozu sollten sie sterben wollen? Er fragte sich das, und er fand darauf keine Antwort.
    Und

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