Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
sich ganz fest an, aus der Ferne, und wenn er glaubte, sie habe ihn nicht bemerkt. Oft betrug sie sich kindisch ihm gegenüber und kokett. Sie lief ihm nach, sie verlangte, daß er sie auf seine Expeditionen in die Ruinen mitnehme, sie beschoß ihn mit Fragen, deren Beantwortung durch ihn für sie von höchster Wichtigkeit zu sein schien. Er wußte nicht so recht, wie er sich das alles deuten solle. Gelegentlich kam ihm der Gedanke, daß sie nur mit ihm spiele und daß sie eigentlich und wirklich an Haniman interessiert sei.
    Und das wäre wahrlich unerträglich quälend gewesen – für einen Haniman als ihren Favoriten abzublitzen. Nein, das war ein Risiko, das einzugehen er keine Lust hatte.
    Heute jedoch schien alles anders zu sein. Er hatte seine erste Tvinnr-Erfahrung hinter sich, und die ganze komplizierte Welt der Erwachsenen lag offen vor ihm. Er mochte ja der ‚Alte Mann’ des Stammes sein, aber schließlich war er daneben auch noch ein junger Mann, und er sehnte sich nach Taniane.
    Also begab er sich auf die Suche nach ihr.
    Es war in der Mitte des Nachmittags, und es hatte aufgeklart und die Sonne schien. Das Himmelsdach schien auf und nieder zu schwingen, als hinge es an Schnüren. Die Ränder aller Dinge, die Hresh sah, wirkten verblüffend scharf, die Begrenzungen zwischen einem Objekt und dem nächsten waren wie mit dem Messer geschnitten. Die Farben vibrierten und pulsierten. Es war, als hätte das Tvinnr seine Seele für unendlich viele starke neue Eindrücke geöffnet.
    Aus einer Seitengasse tauchte Orbin auf und kam pfeifend auf Hresh zugeschlendert.
    Hresh hielt ihn an. »Hast du Taniane gesehen?«
    »Da drüben.« Orbin wies auf ein Gebäude, in dem einige der jüngeren Funde der Sucher aufbewahrt wurden. Dann wollte er weiterschlendern, blieb aber stehen und warf Hresh einen zweiten prüfenden Blick zu. »Stimmt was nicht?«
    »Was nicht stimmen? Wieso?« Hresh war ziemlich aufgeregt. »Was meinst du damit, was nicht in Ordnung?«
    »Deine Augen sind so komisch.«
    »Das bildest du dir bloß ein, Orbin.«
    Orbin zuckte die Achseln. »Hm, vielleicht.«
    Und er begann wieder zu pfeifen. Und mit einem Lächeln, das unangenehm wissend und hochmütig war, strolchte er davon.
    Bin ich wirklich dermaßen leicht zu durchschauen? fragte sich Hresh. Mit einem einzigen Blick auf mich kann Orbin alles herauslesen, was in mir vorgeht?
    Er lief eilig zu dem Lagerhaus der Sucher, wo er auf Konya und Praheurt und Taniane stieß, aber zu seiner großen Erleichterung war Haniman nicht dabei. Sie standen allesamt über ein unvertrautes Fundexemplar von Maschine gebeugt, von der in merkwürdigen Winkeln Arm- und Beingliedmaßen aus Metall hervorstrebten, und sie stocherten zaghaft daran herum.
    »Hresh!« rief Praheurt laut. »Komm mal her und schau dir an, was Konya und Haniman mitgebracht haben von…«
    »Später«, sagte Hresh. »Taniane, ich möchte mit dir reden. Willst du?«
    »Aber sicher.« Sie blickte zu ihm auf. »Worum geht’s denn, Hresh?«
    »Vielleicht – draußen?«
    »Wieso, können wir nicht hier reden?«
    »Bitte, nein. Draußen!«
    »Also, wenn du darauf bestehst…« Sie schaute verwundert drein und machte eine Handbewegung zu Praheurt und Konya, als wollte sie ihnen bedeuten, daß sie gleich zurückkehren wolle. Hresh geleitete sie ins Freie.
    Der warme Windhauch war betäubend. Hresh war ganz benommen von der Schönheit des dichten Fells von Taniane und von dem gespenstischen Glanz und Schimmer ihrer seltsamen Augen. Sie standen schweigend da, während er nach Worten suchte, nach einem Anfang. Verstohlen spähte er umher, um sich zu vergewissern, daß kein Haniman irgendwo in der Nähe lauerte.
    »Also die Sekunde Zeit hättest du dir schon nehmen und dir anschauen können, was wir heute gefunden haben«, sagte sie. »Wir sind uns zwar nicht sicher, was es ist, aber…«
    »Ach, vergiß das jetzt mal«, sagte er mit gepreßter Stimme. »Taniane… ich habe heute mein Erst-Tvinnr gemacht.«
    Sie sah überrascht, ja vielleicht sogar ein wenig beunruhigt drein, weil er damit so direkt herausplatzte. Ihr Blick war gesenkt, unter den Lidern verborgen. Aber dann verwandelte sich ihr Gesichtsausdruck. Es breitete sich ein nicht völlig unbefangenes Lächeln über ihre Züge, und sie sagte – mit vielleicht etwas zu betonter Begeisterung: »Oh, Hresh, wie wahnsinnig ich mich für dich freue! Es war ein sehr schönes Tvinnr, nicht wahr?«
    Er nickte. Irgendwie lief die Sache nicht in die

Weitere Kostenlose Bücher